Fachkongress: Digitalisierung als große Chance

Diskussionsrunde Fachkongress eHealth NRW
Diskutierten über Telekonsile und den Start der Pilotphase des VKh.NRW im Herbst 2021: (v.l.n.r): Prof. Dr. med. Ulf Peter Neumann (Uniklinik RWTH Aachen), Dr. med. Daniel Dumitrescu (Herz- und Diabeteszentrum NRW), Günter van Aalst (stv. ZTG-Aufsichtsratsvorsitzender) und Nadja Pecquet (Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH) (Foto: ZTG GmbH)

Auf dem Fachkongress „eHealth.NRW – Das digitale Gesundheitswesen“ stand das Thema „Virtuelles Krankenhaus“ im Fokus. Die Experten beleuchteten Vorteile wie die interdisziplinäre Kommunikation, die insbesondere schwer erkrankten Menschen zugute kommen.

Der von der ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin GmbH in Kooperation mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen veranstaltete digitale Fachkongress „eHealth.NRW – Das digitale Gesundheitswesen“ führte die aktuelle Debatte um die Digitalisierung des Gesundheitswesens mit zahlreichen Fachleuten fort. Auf der Agenda standen das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen (VKh.NRW), Telemonitoring und das elektronische Gesundheitsberuferegister (eGBR). 

Virtuelles Krankenhaus mindert Verlegungen

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, eröffnete den Kongress. „Wir haben während der Pandemie gesehen, dass das Virtuelle Krankenhaus Nordrhein-Westfalen eine gute Idee ist. Spezialisten in Schwerpunktkliniken haben mit Ärztinnen und Ärzten aus anderen Krankenhäusern zusammengearbeitet und dadurch sind in NRW manche Verlegungen von schwer erkrankten Menschen nicht notwendig geworden. Die Digitalisierung wird einen riesigen Beitrag für die sektorübergreifende Versorgung leisten. Sie wird Versorgungsgrenzen sprengen und auflösen“, so begrüßte Minister Laumann die Teilnehmenden des digitalen Formats. Er hatte noch vor der Pandemie die Initialzündung für das VKh.NRW gegeben, das dann Ende März 2020 in einer Vorstufe startete, um speziell schwer an COVID erkrankte Menschen sektorübergreifend zu behandeln.

Unterstützung in besonders komplexen Behandlungsfällen

Nadja Pecquet, Geschäftsführerin der Virtuelles Krankenhaus NRW gGmbH, sprach im Anschluss über die Zielsetzung und Vorgehensweise der bisher in Deutschland einmaligen Initiative: „Wir wollen mit telekonsiliarischer Beratung zwischen Ärztinnen und Ärzten Unterstützung bieten in ganz besonders komplexen Behandlungsfällen. Stellen Sie sich das Virtuelle Krankenhaus als Navigationssystem vor – ein technisches Hilfsmittel, das Sie dabei unterstützt, den Weg zur bestmöglichen Versorgung zu finden.“ 

Was zunächst hauptsächlich auf die Intensivmedizin konzentriert war, soll künftig ausgebaut werden in Richtung einer flächendeckenden telemedizinischen Versorgung in Nordrhein-Westfalen. Noch im Herbst 2021 startet voraussichtlich die Pilotphase des VKh.NRW. Dann wird das Angebot auf die Indikationsfelder Infektiologie, Herzinsuffizienz, Lebertumore und Seltene Erkrankungen ausgeweitet. „Wir setzen auf kontinuierliches Nutzerfeedback im Rahmen der Pilotphase und wollen ganz nah an der Praxis sein mit unseren Angeboten. Die Pilotphase wird wissenschaftlich evaluiert werden, um die Prozesse konsequent an der Praxis orientieren zu können und einen Nutzen zu generieren“, so Pecquet.

140 Krankenhäuser an Netzwerk angeschlossen

Die daran anknüpfende Diskussionsrunde beleuchtete den Start der Pilotphase mit den neu geplanten Angeboten genauer und ließ vor allem auch Mediziner zu Wort kommen bezüglich ihrer Intention, sich dem Netzwerk vom VKh.NRW anzuschließen. Professor Dr. med. Gernot Marx, FRCA, Direktor der Klinik für Operative Intensivmedizin und Intermediate Care an der Uniklinik RWTH Aachen, gab einen aktuellen Überblick über Behandlungsdaten der Vorstufe: Demnach konnten durch das strukturierte und vernetzte Zusammenarbeiten medizinischer Experten bislang rund 470 Personen mit COVID-19 behandelt werden, davon fielen im Schnitt sechs bis sieben Televisiten pro Patient an. Insgesamt haben sich mittlerweile etwa 140 Krankenhäuser an das Netzwerk angeschlossen. „Für uns ein erfolgreicher Weg, der an Fahrt aufnimmt“, so Marx.

Bessere Behandlung lokal vor Ort

Dr. med. Daniel Dumitrescu, Oberarzt der Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/Angiologie am Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen in Bad Oeynhausen, sprach sich ebenfalls für die Initiative aus: „Bei schwer erkrankten Menschen (…) ist es enorm wichtig, interdisziplinär zu kommunizieren, um die Diagnostik und Prognose der Patienten deutlich zu verbessern. Expertenwissen außerhalb der Klinikmauern und Beratung zeitnah zu implementieren, ist ein großer Gewinn.“ Professor Dr. med. Ulf Peter Neumann, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie an der Uniklinik RWTH Aachen, bekräftigte: „Ich glaube, dieser strukturierte Prozess mit der beidseitigen Diskussion der Fälle ist für alle Seiten hilfreich und wird dazu führen, dass noch weniger Patienten verwiesen werden müssen und besser lokal behandelt werden können.“

NRW goes Telemonitoring

Den zweiten Themenblock startete Kai-Roland Heidenreich, Erster Vorsitzender der DCFH – Deutsche CF-Hilfe, Unterstützung für Menschen mit Mukoviszidose e. V., mit einer flammenden Rede, in der er verdeutlichte, wie nützlich der Einsatz von Telemonitoring für die Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose sein kann. Die Expertise aus der Ferne sei von großer Bedeutung, nicht nur, um Kosten bei der Medikation einzusparen, sondern auch, um maßgeschneidert individuell abzuklären, welche Dosis pro Patienten benötigt werde, so Heidenreich. So könnten jährlich Millionen Euro eingespart werden. 

Doch wie kann es gelingen, die Hürden, die Telemonitoring auf dem Weg in die Regelversorgung noch immer zu nehmen hat, zu bewältigen? Dieser Frage widmete sich ZTG-Geschäftsführer Rainer Beckers im Anschluss. Für ihn steht fest: „Vertrauen schaffen und gemeinsam an der Implementierung von Telemonitoring im Versorgungsalltag in regionalen Netzwerken arbeiten, das ist das Ziel.“ Und weiter: „Gute Distanzmedizin braucht Nähe. Flächendeckende Telemedizin erreicht man nur, wenn man sich kennt. Umso wichtiger ist es, dass Prozesse miteinander abgestimmt werden. Richtig positive Effekte wird man erst dann erzielen können, wenn Telemonitoring Bestandteil eines intersektoralen und interdisziplinären therapeutischen Ansatzes werden kann. In NRW haben wir dafür die besten Voraussetzungen“. Dass Telemonitoring noch einen weiten Weg vor sich hat, darüber waren sich alle, die an der anschließenden Diskussionsrunde teilnahmen, einig.

Fazit

Die Zukunft des Gesundheitswesens kann und sollte digital sein, so das Fazit des Kongresstages. Doch das kann nur gemeinsam gehen. Dr. Michael Schwarzenau, Aufsichtsratsvorsitzender der ZTG GmbH und Hauptgeschäftsführer der Ärztekammer Westfalen-Lippe, betonte in seinem abschließenden Statement: „Wir brauchen Strukturen, damit wir digitale Möglichkeiten flächendeckend einsetzen können. Die Dialoge darum führen wir nicht zum Selbstzweck, sondern wollen die gesundheitliche Versorgung mit sektorübergreifender Zusammenarbeit voranbringen und mit Hinblick auf den strukturellen Wandel zukunftsfähig gestalten. Dabei sind wir auf mehr Zusammenarbeit angewiesen.“

Der komplette Video-Stream zum Kongress „eHealth.NRW“ kann hier aufgerufen werden: (Link:) https://e-health-nrw.de