Digitalisierung bringt neues Geschäftsfeld in die Zahnarztpraxen

Verena Heinzmann ist Expertin für Zahnmedizinische Versorgung bei Rebmann Research. Foto: Rebmann Research

Der Einsatz moderner CAD/CAM-Technologien bringt nicht nur Effizienz- und Qualitätsvorteile, sondern bildet auch die Basis für die Integration ursprünglich originärer Arbeitsbereiche von Dentallaboren in das Leistungsgeschehen der Zahnarztpraxen. Das zwingt Dentallabore zum Umdenken.

In der Studie Atlas Dental Europa 2024 hat das Beratungsunternehmen Rebmann Research die wichtigsten Fakten und Trends rund um den europäischen Dentalmarkt untersucht. Dabei zeigt sich unter anderem, dass der digitale Workflow die Art und Weise, wie Behandlungen durchgeführt werden, grundlegend verändert. Auch die Interaktion zwischen Zahnärzten, Dentallaboren und anderen Stakeholdern befindet sich im Wandel. 

Ein Beispiel dafür ist der Einsatz moderner CAD/CAM-Technologien in den Praxen. Dabei lassen sich vielfältige Ausprägungen beobachten – sei es eine rein digitale Fertigung, eine gemischte analoge/digitale Herangehensweise oder durch andere Methoden.

 VorteileNachteile
Szenario 1: Zahnarzt übernimmt nur die optische Abformung und übermittelt die Daten an ein Dentallabor, das die Restauration konstruiert und fertigt.+      Zahnarzt muss nicht in CAD/CAM-Geräte/-Software investieren+      kann sich auf die Behandlung konzentrieren und +      profitiert von der Expertise des Laborpartners­ Abhängigkeit von Verfügbarkeit des Laborpartners­  
 Zahnarzt muss in Intraoralscanner investieren­       hat keine direkte Kontrolle über Workflow und Qualität
­ unter Umständen höhere Lieferzeit und Kosten
Szenario 2: Zahnarzt formt optisch ab, konstruiert die Restauration mit einer CAD-Software und lässt diese dann extern von einem Großlabor oder Fertigungszentrum mit einem CAD/CAM-System fertigen.+      Zahnarzt hat mehr Kontrolle über den Workflow und kann die Restauration individuell anpassen+      reine CAM-Fertigung gewährleistet Präzision und Effizienz und+      ggf. auch KostenvorteileZahnarzt benötigt Intraoralscanner und CAD-Software sowie­
Zeit und Expertise für die Konstruktion
Szenario 3: Zahnarzt formt optisch ab und übernimmt auch selbst die Konstruktion und die Fertigungmit einem praxiseigenen CAD/CAM-System.+      Wertschöpfung komplett in der Praxis+      Zahnarzt kann den gesamten Workflow selbst steuern und ist Herr über Zeit und Qualität+      Restauration ist zeitnah (chairside) verfügbar­       Variante mit dem größten Geräte-Investitionsvolumen und dem höchsten erforderlichen Know-how und Zeitbedarf­       lohnt sich nur bei entsprechender Auslastung der Geräte
Szenario 4: Zahnarzt formt optisch ab, lässt die Konstruktion vom Laborpartner erstellen, die Fertigung erfolgt jedoch per CAM-Fräs- oder 3-D-Druck-Einheit in der Zahnarztpraxis.+      Zahnarzt kann die Konstruktionsexpertise des Laborpartners nutzen+      durch die In-House-Fertigung ist der Zahnersatz dennoch zeitnah (chairside) verfügbar ­Investition und Know-how für CAM-Anlage erforderlich­
Abhängigkeit von der Verfügbarkeit/Flexibilität des externen Dienstleisters
Quelle: REBMANN RESEARCH: Atlas Dental 2024


Neue Herausforderungen durch Digitalisierung

Die Möglichkeit der Integration (von Teilen) des digitalen Workflows stellt Zahnarztpraxen vor neue Herausforderungen. Als Gamechanger wird die Verfügbarkeit eines Intraoralscanners in der Praxis eingestuft (wobei eine digitaldatenbasierte CAD/CAM-Fertigung von Zahnersatz sowie weiterer zahntechnischer Produkten auch via Scan einer konventionellen Abformung bzw. eines Gipsmodells möglich ist).

Bei der richtigen strategischen Positionierung hinsichtlich Eigenfertigung oder Fremdbezug gilt es, im Vorfeld genau zu kalkulieren. So können die erforderlichen Investitionen mit einem hohen Kapitalbedarf einhergehen, was aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine entsprechende Auslastung der Geräte voraussetzt. Zudem muss berücksichtigt werden, dass für die neuen Angebote neue Qualifikationen und ausreichende zeitliche Ressourcen erforderlich sind. 

Dentallabore müssen sich neu aufstellen

Bundesweit kommen bereits in mehr als 7.500 Zahnarztpraxen CAD/CAM-Geräte zum Einsatz. Für Dentallabore ergibt sich hieraus die Notwendigkeit einer Neuausrichtung ihrer Position und Funktion im Fertigungsprozess – zumal auch das traditionelle Kerngeschäft mit Kronen und Brücken einem Rückgang unterliegt. „Allround-Anbieter“ für das gesamte Spektrum des Zahnersatzes verlieren zunehmend an Bedeutung. 

Quelle: REBMANN RESEARCH, ATLAS MEDICUS® Marktmanager 03/2023

Das Tätigkeitsfeld verlagert sich

Hochtechnisierte Zahnarztpraxen, vor allem jene mit Fokus auf Implantologie, übernehmen zwar einen Teil des Kerngeschäfts der Dentallabore, doch aufgrund ihres umfangreichen Leistungsspektrums ist es ihnen oft nicht möglich, alle Arbeiten intern kosteneffizient und innerhalb eines akzeptablen Zeitrahmens zu bewältigen. 

Außerdem gilt: Je größer die Praxis, umso eher können auch weiterführende Serviceleistungen oder die Übernahme von Dienstleistungen wie beispielsweise die CAD-Gestaltung zahntechnischer Produkte interessant sein. Dies eröffnet Dentallaboren Chancen, die Praxen in jenen Bereichen zu unterstützen, die über die Kapazitäten des Praxislabors hinausgehen oder die die Erfahrung und Expertise eines Zahntechnik-Spezialisten erfordern. 

Sofern für kleinere Dentallabore die Investition in CAM-Anlagen wirtschaftlich nicht tragbar ist, könnte für diese eine Konzentration auf CAD-Technologie und die Auslagerung der CAM-Fertigung (beispielsweise an Großlabore oder industrielle Fertigungszentren) sinnvoll sein. Jedes Labor sollte sorgfältig prüfen, ob es wirtschaftlich vorteilhafter ist, die Fertigung intern durchzuführen oder auf externe Dienstleister zurückzugreifen. 

Die Studie Atlas Dental Europa ist als Online- oder PDF-Version unter https://www.rebmann-research.de/publikationen/ erhältlich. Ein kostenloser Auszug aus der Studie steht online https://www.rebmann-research.de/presse-pressemitteilung-atlas-dental zur Verfügung.