Eine Art „Frühwarnsystem“ mit täglicher Übermittlung von Vital- und anderen Patientendaten könnte künftig verhindern, dass Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz in eine lebensbedrohliche Krise stürzen. Eine entsprechende telemedizinische Lösung wird derzeit in einer großen klinischen Studie, der Fontane-Studie, getestet. Der Studienleiter stellt das Projekt auf der Medica Education Conference 2016 vor, die vom 14. bis 17. November in Düsseldorf stattfindet.
Etwa 200.000 Patienten leben in Deutschland mit einer Schwäche des Herzmuskels. „Die meisten Patienten befinden sich dank Medikamenten und Herzschrittmachern in einem stabilen Zustand“, sagt Professor Dr. med. Friedrich Köhler, Charité-Universitätsmedizin Berlin: „Es kann jedoch jederzeit zu einer Verschlechterung kommen. Wird sie nicht rechtzeitig erkannt, werden lange und für die Versicherer kostspielige Krankenhausbehandlungen erforderlich.“
Krise kündigt sich an
Eine drohende Krise zeichnet sich häufig durch einen Rückgang des Blutdrucks, eine Pulsbeschleunigung oder durch eine Gewichtszunahme aufgrund von Wassereinlagerungen im Gewebe ab. „Die Patienten spüren dies zunächst nicht“, erläutert Professor Köhler, der an der Charité das Zentrum für kardiovaskuläre Telemedizin leitet. „Bei einer frühzeitigen Diagnose können wir jedoch häufig gegensteuern und eine Verschlechterung, vielleicht sogar einen vorzeitigen Todesfall verhindern.“
Ob die tägliche Übermittlung der Daten an ein Kontrollzentrum ein geeignetes Frühwarnsystem ist, wird derzeit in der Fontane-Studie an 1.500 Patienten untersucht. Die Hälfte der Patienten erhält ein Gerät. Mit diesem übermitteln sie täglich Blutdruck, Puls, Körpergewicht und andere Daten. „Das Ziel ist, die Zahl der Tage zu vermindern, die durch Krankenhausaufenthalte oder einen vorzeitigen Tod verloren gehen“, erläutert Professor Köhler. Ob dies gelingt, ist derzeit noch offen. Erste Ergebnisse der Studie sollen 2018 vorliegen.
Bisher widersprüchliche Studien
Zwei frühere Studien haben jedoch belegt, dass eine telemedizinische Überwachung die Lebensqualität und die Überlebenschancen von Menschen mit schwerer Herzinsuffizienz verbessern kann. In beiden Untersuchungen wurden die Signale von implantierten Geräten aufgefangen. In der sogenannten „Champion“-Studie war dies ein Druckmesser in der Lungenarterie, in der „In-Time“-Studie wurden die Daten eines implantierten Defibrillators (ICD) telemedizinisch an ein Zentrum übermittelt. In zwei weiteren Studien – „More-Care“ und „REM-HF“ – hat die Fernabfrage von Herzschrittmachern und ICD-Systemen die Situation der Patienten dagegen nicht verbessern können. Professor Köhler betont: „Wir müssen deshalb in jedem Fall prüfen, ob ein telemedizinisches Monitoring sinnvoll ist.“ Der Experte kann sich vorstellen, dass die Telemedizin vor allem Patienten auf dem Lande helfen könnte, rechtzeitig medizinische Hilfe zu erhalten. Professor Köhler erklärt: „Wir haben in Deutschland Versorgungsunterschiede zwischen dem ländlichen Raum und den Metropolregionen. Diese müssen dringend beseitigt werden.“
Telemedizin ersetzt keinen Arzt
Einen Arztbesuch ersetzen soll und darf die Telemedizin jedoch nicht. „Eine ausschließlich telemedizinische Betreuung von Patienten ist in Deutschland verboten“, sagt Friedrich Köhler. Die Versorgungsqualität müsse erhalten bleiben. „Es gelten die gleichen Standards wie für den Arztbesuch“, verspricht Professor Köhler. „Die Behandlung von Menschen mit chronischer Herzinsuffizienz muss persönlich durch einen Facharzt erfolgen nach ausreichender Aufklärung und unter Einhaltung der ärztlichen Schweigepflicht.“
Über die Anforderungen an eine telemedizinische Versorgung sowie den aktuellen Stand der Fontane-Studie spricht Professor Dr. med. Friedrich Köhler am Thementag „Innere Medizin: Zukunftstechnologien und Remote Patient Management“ am 16. November 2016 auf der Medica Education Conference in Düsseldorf. Im Symposium unter seiner Leitung wird es unter anderem auch um telemedizinische Ansätze bei Schwangerschaftshypertonie gehen.