Die Urologische Universitätsklinik Heidelberg hat gemeinsam mit Konsortialpartnern eine offene und erweiterbare Software-Plattform zur intelligenten Unterstützung von Prozessen im Operationssaal entwickelt.
Viele Operationssäle sind heute zwar mit modernster Medizintechnik ausgestattet, die Zusammenführung ihrer Daten ist jedoch schwierig, da viele Geräte als herstellerspezifische Insellösung konzipiert sind. Es bleibt somit Aufgabe des behandelnden Arztes, die gewonnenen Daten während des Eingriffs sinnvoll zu verknüpfen, da je nach Gerätehersteller ein technisches Zusammenführen der Daten nicht möglich oder zu aufwendig wäre. Erschwerend kommt hinzu, dass die Systeme sich nicht individuell und flexibel an sich ändernde Situationen im OP-Saal anpassen können.
In der Forschung wird an entsprechenden Lösungen gearbeitet, viele Ansätze scheitern jedoch am fehlenden Zugang zu den Daten der medizinischen Geräte und an Möglichkeiten professioneller Vermarktung und Vertrieb der Lösung. Dies stellt besonders für kleinere, teils sehr innovative Unternehmen und Startups eine unüberwindliche Hürde dar.
Die Urologische Universitätsklinik Heidelberg entwickelte daher gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) sowie den Unternehmen Karl Storz, mbits, SAP und Siemens Healthineers im Rahmen des Projekts „OP 4.1″ einen Prototyp für eine herstellerübergreifende, offene und erweiterbare Geschäftsplattform als mögliches Geschäftsmodell für die Industrie. Das finanzielle Gesamtvolumen dieses Projekts beträgt sechs Millionen Euro. Realisiert wurde es durch eine Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi Deutschland) im Rahmen des Technologieprogramms „Smart Service Welt II”.
Beschleunigter Know-how-Transfer
Eine solche Technologie- und Geschäftsplattform könnte Unternehmen jeder Größe eine technische und kommerzielle Grundlage für die Entwicklung, den Vertrieb und die einfache Anwendung innovativer Apps im OP-Umfeld bieten. Ziel des Plattform-Konzeptes ist es, den Transfer von Forschungsergebnissen sowie von Hard- und Software-Entwicklungen in die klinische Praxis zum Wohle der Patienten und zur Unterstützung des medizinischen Personals zu vereinfachen und wesentlich zu beschleunigen.
„Mit der Entwicklung des Prototyps konnten wir das Projekt erfolgreich abschließen. ‚OP 4.1′ bietet eine integrierte Software-Plattform, um neueste medizinische Forschungsergebnisse und -erkenntnisse translational schnell und erfolgreich in die klinische Routine bringen zu können. Dadurch können wir die Behandlung unserer Patienten unmittelbar verbessern“, sagt Professor Dr. Markus Hohenfellner, Ärztlicher Direktor der Urologischen Universitätsklinik Heidelberg, der den Impuls für das Projekt gab.
Starter-Apps veranschaulichen Potenzial
Im Rahmen des Projekts wurden bereits vier Apps zur Integration in das System entwickelt. Die App „Augmented Reality“ des DKFZ blendet beispielsweise Ziel- und Risikostrukturen des Tumors auf das sichtbare Operationsfeld ein, was besonders bei minimalinvasiven Eingriffen wie der Nierenteilresektionen zur Optimierung des Ablaufs hilfreich ist. Die DKFZ-App zur „Live Perfusionsmessung“ ermöglicht die Bestimmung der Durchblutung während der Operation und die „Präzisionspunktions-App“ ermöglicht die kombinierte Darstellung von Daten während einer Punktion. Das Unternehmen „mbits“ zeichnet für die App „Mobiler Informationsservice“ verantwortlich, die Informationen zum Operationsprozess asynchron zur Verfügung stellt.
Neue Marktmöglichkeiten für Software
Die Plattform „OP 4.1″ soll nicht nur die Arbeit im Operationsumfeld unterstützen und die Behandlung von Patienten verbessern, sondern auch eine effizientere Auslastung von OPs und Geräten ermöglichen. Für die Hersteller kann eine stärkere Nutzung ihrer Geräte generiert werden und zukünftige Forschung kann von einer Vielzahl gespeicherter Behandlungsdaten profitieren. Außerdem lassen sich neue Geschäftsmodelle für Kliniken und Gerätehersteller durch Abrechnungsmodalitäten wie „Pay-per-Use“ für Geräte und Apps erschließen. Damit wurden im Rahmen des Projekts neue Marktmöglichkeiten für Softwareinnovationen im Operationsaal getestet.
Authentifizierung und Single-Sign-On
Die „OP 4.1″-Plattform basiert auf der „Cloud Platform“ von SAP und enthält offene Schnittstellen zur Integration von Geräten und Apps unterschiedlicher Hersteller. Prozess- und Patientendaten verbleiben jederzeit auf dem klinikeigenen System; zusätzlich ist das System unter anderem mit Kernfunktionalitäten wie sicherer Authentifizierung und Single-Sign-On (Einmalanmeldung) ausgestattet. Dadurch sollen Datenschutz- und -sicherheit gewährleistet sein.