Cloud, KI und KHZG bewegen die Branche

Fachpublikum auf der DMEA 2023
Cloud, KI und KHZG: Auf der DMEA 2023 diskutierte das Fachpublikum die zentralen Branchenthemen. (Foto: Messe Berlin)

Der Aussteller- und Besucherrekord auf der Gesundheitsmesse DMEA zeigte, dass Digital Health das zentrale Thema im Gesundheitsbereich ist. Doch um welche ganz konkreten Fragen ging es? Wir haben nachgehakt!

Ausgerechnet eine Messe, die sich primär mit der Digitalisierung – also einer ziemlich abstrakten Sache – beschäftigt, verzeichnete in diesem Frühjahr einen neuen Aussteller- und Besucherrekord. Mehr als 700 Aussteller und über 16.000 Teilnehmer reisten zur Digital Health-Fachmesse DMEA 2023 in die Berliner Messehallen.

Die Messe Berlin und der Bundesverband Gesundheits-IT (bvitg) als DMEA-Veranstalter freuten sich selbstverständlich über den Zuspruch, doch mednic.de wollte von den Ausstellern mehr wissen. Natürlich drehte sich auf der Health-Messe alles um das Digitale, aber was waren aus Sicht der Unternehmen die wirklich prägenden Trends, die sich an den Messetagen abgezeichnet haben? Wo drückt Kliniken, Arztpraxen und Kassen am meisten der Schuh?

Verlagerung in die Cloud

Für den deutschen Computerhersteller Wortmann AG stand klar das Thema „Cloud“ im Mittelpunkt des Geschehens: „Cloud Themen beziehungsweise ‚Kliniken goes Cloud‘ waren der Hauptgrund, die Messe zu besuchen“, ist René Thoss, Produktmanager für den Medizinbereich bei der Wortmann AG überzeugt. Der Bedeutung des Cloud-Themas pflichtet Marten Neubauer, Field Director Healthcare bei Dell Technologies, bei: „Ein Thema, das die Experten und Teilnehmer der diesjährigen DMEA sehr beschäftigt hat, sind sicherlich die Konsolidierungen bei den Anbietern von Krankenhausinformationssystemen (KIS) und im Zuge dessen die Abkündigungen mancher Lösungen sowie die Verlagerung in die Cloud.“

Neubauer bemerkte in seinen Gesprächen aber noch weitere „heiße Eisen“, die Verantwortliche im Gesundheitsbereich bewegen: „Das zweite große Thema ist der Ruf nach mehr Flexibilität beim IT-Betrieb. Die Vorgabe, dass Daten nur direkt im Krankenhaus verarbeitet werden dürfen, stammt aus einer Zeit, als Papier-Akten noch Stand der Dinge waren. Auch dem Fachkräftemangel in der IT wird man mit überholten Regelungen, die eine Auslagerung verhindern, nicht gerecht. Zu guter Letzt sind Forschungsthemen wieder verstärkt in den Mittelpunkt gerückt.“

Michael Brockt
Michael Brockt, E-Health-Experte bei der Concat AG (Foto: Concat)

Digitale Identitäten und KI-Unterstützung

Michael Brockt, E-Health-Experte bei der Concat AG, konnte zahlreiche gute Gespräche führen und bemerkte viele ganz konkrete, fachspezifische Fragestellungen. „Kliniken, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen waren sehr interessiert an den Themen Identitäts- und Access-Management (IAM), Attribute-Management und KI-Unterstützung. Eine IAM-Lösung gekoppelt mit Attribute-Management vereinfacht die Erfassung, Kontrolle und das Management digitaler User-Identitäten und der damit verbundenen Zugriffsrechte. Gesundheitseinrichtungen können so die Einhaltung von Compliance-Richtlinien sicherstellen.“ Die sich aus dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz ergebenden Möglichkeiten waren ebenfalls großes Thema: „Nachgefragt wurden Lösungsansätze für die Reduzierung von administrativen Tätigkeiten, zum Beispiel beim Erstellen von Arztbriefen. KI-Algorithmen können dabei unterstützen, das Personal zu entlasten, indem mit ihrer Hilfe große Mengen an Patientendaten in Arztbriefen, die sich x-fach wiederholen oder vergleichbar sind, ausgewertet werden.“

Gottfried Ludewig
Gottfried Ludewig ist Leiter Health bei T-Systems (Foto: Deutsche Telekom AG/Tobias Koch)

Ganz ähnlich fällt die Einschätzung von Gottfried Ludewig aus, Leiter Health bei T-Systems: Der Einsatz Künstlicher Intelligenz, die Chancen der Automatisierung, die Chancen digitaler Identitäten, die Möglichkeiten der Telematikinfrastruktur 2.0. und auch die Frage der sicheren und performanten Plattformen in der Cloud waren und sind Topthemen und Treiber. Wir merken, dass aus Überlegungen immer mehr konkrete Projekte werden und gleichzeitig die Fachexpertise nachgefragt wird, diese Projekte vorzubereiten und umzusetzen.“

Dauerbrenner Krankenhauszukunftsgesetz

Dr. Florian Weiß, CEO des Arzt-Patienten-Portals jameda GmbH war ebenfalls in Berlin und führte zahlreiche Fachgespräche führen: Die Digitalisierungsstrategie des BMG und die nächsten Schritte auf dem Weg hin zur Etablierung von E-Rezept und elektronischen Patientenakte haben die Messebesucher besonders stark beschäftigt und waren auch immer wieder Gegenstand von Diskussionen auf unserem Messestand. Stärker als in den Vorjahren rückte auch das Thema Künstliche Intelligenz nach oben auf der Agenda. Die Vertreter von Praxen, Kliniken und Krankenhäusern auf der DMEA haben sich insbesondere dafür interessiert, welche Einsatzmöglichkeiten es von KI im Gesundheitswesen geben könnte. Ebenfalls im Fokus: Das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) und die digitale Patientenreise.“

Manuel Iserloh
Dr. Manuel Iserloh ist Geschäftsführer des Patientenportal-Anbieters Polavis (Foto: Polavis)

Dass gerade die Verantwortlichen aus dem Klinikbereich nicht mehr „nur“ zu allgemeinen Informationszwecken, sondern mit ganz konkreten Anliegen zur DMEA reisen, bemerkt auch Dr. Manuel Iserloh, Geschäftsführer des Patientenportal-Anbieters Polavis: „Das Interesse an Patientenportalen war durch die anstehenden Fristen und der Wichtigkeit des Fördertatbestands 2 in diesem Jahr besonders groß. Gleiches galt sicherlich für die weiteren KHZG-Fördertatbestände. Die Gesprächspartner haben ihre gebuchten Zeiten wahrgenommen und sind gut vorbereitet gekommen. Das ist der Trend, den wir wahrgenommen haben: Die Digitalisierung ist ernsthaft und konkret in der Klinikwelt angekommen. Die DMEA-Termine gewinnen an Wert, Kliniken setzen sich gezielt mit der Ausplanung ihrer Projekte und der Wahl des passenden Partners auseinander.“

Martina Götz, Dedalus
Martina Götz, Director Marketing Communications DACH bei Dedalus HealthCare (Foto: DH Healthcare GmbH)

Auch aus Sicht von Martina Götz, Director Marketing Communications DACH bei Dedalus HealthCare, waren Fragen rund um die KHZG-Fördertatbestände ein besonders wichtiger Faktor, der vorzugsweise Klinik-Manager in die Hauptstadt trieb: „Sehr prägnant ist die weiterhin sehr starke Nachfrage nach Lösungen, die die unterschiedlichen Fördertatbestände des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) abdecken. Uns haben in diesem Kontext besonders viele Anfragen zum Fördertatbestand 5 „Digitales Medikationsmanagement“ erreicht. Ein weiteres Thema, das die Gesundheitseinrichtungen bewegt, ist die Interoperabilität. Hier wird von den Systemanbietern erwartet, dass sie auf Basis etablierter Standards wie FHIR barrierefrei Daten mit anderen austauschen können.“

Sichere Echtzeitkommunikation

Armin Flender
Armin Flender ist Geschäftsführer bei der Düsseldorfer DGN Deutsches Gesundheitsnetz Service GmbH (Foto: DGN)

DGN-Geschäftsführer Armin Flender hat nicht nur die Krankenhäuser im Blick, wenn er das Thema Gesundheits-Messenger erwähnt: „Eine ganze Reihe von Unternehmen haben auf der Messe ihre Lösungen für Echtzeitkommunikation innerhalb der Telematikinfrastruktur vorgestellt. Auch wir stecken mitten in der Entwicklung unseres neuen DGN Messengers, mit dem Heilberufsangehörige künftig untereinander und mit anderen Gesundheitseinrichtungen in Echtzeit vertrauliche Kurznachrichten austauschen können – sicher, Ende-zu-Ende verschlüsselt und sektorenübergreifend. Zu den Trendthemen zählten zudem die Einführung digitaler Identitäten und der elektronischen Patientenakte, die datenschutzkonforme Nutzung von Gesundheitsdaten für Forschungszwecke sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Gesundheitswesen – speziell in der Pflege.“

Präsenzveranstaltungen bleiben unverzichtbar

Doch trotz vieler, konstruktiver Fachgespräche: Lohnt sich angesichts der Möglichkeiten, die sich heute aus Lösungen wie Teams oder Zoom heraus ergeben, die zeitaufwändige Anreise zu einer Messe? Das einhellige Urteil unserer Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner: Ein klares Ja! „Wir finden, dass der persönliche Austausch für die Beziehungspflege sehr wichtig ist. Die Kommunikation über digitale Kanäle hat natürlich ihre Stärken, weil sie zeitsparend ist und sich die TeilnehmerInnen von einem beliebigen Standort über weite Entfernungen hinweg austauschen können. Virtuelle Meetings sind aber kein gleichwertiger Ersatz für Präsenzveranstaltungen, bei denen aktuelle Trends und Innovationen direkt erlebbar sind. Für vertrauensvolle Zusammenarbeit, Verkaufsgespräche und Vertragsabschlüsse sind persönliche Begegnungen und Networking unersetzlich“, unterstreicht DGN-Geschäftsführer Armin Flender. Der persönliche Austausch von Angesicht zu Angesicht bleibt extrem wichtig und ist manchmal sogar unersetzlich. Konkret fragten wir auch nach dem Thema Patientendaten, dessen Schutz von vielen Digitalisierungs-Kritikern immer wieder angemahnt wird.

Lesen Sie in Kürze im zweiten Teil unserer DMEA-Nachlese, wie die Branche das Thema Patientendaten bewertet.