Angesichts aktueller gesundheitspolitischer Entscheidungen werden auf dem 127. Deutsche Ärztetag in Essen zahlreiche Reformpläne kontrovers diskutiert. Einmal mehr geht es nicht nur um berufspolitische Fragen.
Der 127. Deutsche Ärztetag findet in Essen (16. bis 19. Mai 2023) statt. Vier Tage lang versammeln sich dort 250 ärztliche Abgeordnete aus ganz Deutschland, um gesundheitspolitische Impulse zu setzen und berufspolitische Themen zu beraten. Bereits vorab ordnete Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt den Stellenwert der Veranstaltung ein: „Nach dem Ende der Corona-Pandemie ist die Notwendigkeit nachhaltiger Reformen im Gesundheitswesen offensichtlicher denn je. Angesichts der Vielzahl laufender beziehungsweise geplanter Gesetzgebungsverfahren wird das Themenspektrum der gesundheitspolitischen Generalaussprache besonders breit gefächert sein“.
Der Ärztetag fokussiert kaum medizinische Fachfragen – er gilt seit jeher als wichtiges Instrument, um auf die Interessen der Ärzteschaft in Politik und Medien aufmerksam zu machen. Für das gesundheitspolitische Großereignis haben sich mehr als 120 Journalisten akkreditiert, die von den berufspolitischen und medizinisch-ethischen Debatten des Ärztetages berichten. Die Eröffnungsveranstaltung, die Plenarsitzungen und Pressekonferenzen können auch per Livestream verfolgt werden.
Reichlich Dynamik in der Gesundheitspolitik
Eröffnet wird der 127. Deutsche Ärztetag in der Philharmonie Essen, unter anderem im Beisein von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Primär findet die Veranstaltung auf dem Essener Messegelände statt (Congress Center Ost, Messeplatz 1, 45131 Essen).
Der Ärztetag fällt in herausfordernde Zeiten: Die Abgeordneten widmen sich in diesem Jahr unter anderem den angekündigten Versorgungsgesetzen I und II, der Neuausrichtung der Krankenhausplanung und -vergütung sowie vielen weiteren gesundheitspolitischen Themen.
Digitale Anwendungen und künstliche Intelligenz
Bundesärztekammer-Präsident Reinhardt kritisierte grundsätzlich, dass die Politik nicht verinnerlicht habe, vor welch großen Herausforderungen das Gesundheitswesen steht. „Wir brauchen Konzepte, wie in einer Gesellschaft des langen Lebens die Finanzierung unseres Krankenversicherungssystems bei einem stetig steigenden Behandlungsbedarf auf eine breitere und damit zukunftsfeste Basis gestellt werden kann. Wir brauchen Antworten auf die Frage, wie wir digitale Anwendungen und künstliche Intelligenz im Sinne arztunterstützender Anwendungen wirklich praxistauglich und sicher für die Patientenversorgung machen können. Wir müssen die Gesundheitsprävention im Sinne von Health in all Policies noch viel stärker als heute im politischen und gesellschaftlichen Bewusstsein verankern. Und wir müssen den gesundheitsbezogenen Klimaschutz weiter voranbringen. Diese Zukunftsthemen muss die Politik in einem ernsthaften Dialog mit den Ärztinnen und Ärzten in Deutschland angehen. Das werden wir auf dem Ärztetag in aller Klarheit einfordern“, kündigte Reinhardt an.
Unter dem Titel „Freiheit und Verantwortung in der ärztlichen Profession“ werden sich die Abgeordneten des Ärztetages mit dem Verständnis des ärztlichen Berufs als Profession beschäftigen. In einem weiteren Schwerpunktthema wird das Ärzteparlament – gemeinsam mit externen Referenten, wie zum Beispiel der nordrhein-westfälischen Bildungsministerin Dorothee Feller – über die Förderung der Gesundheitskompetenz bei Kindern und Jugendlichen und die Einführung eines Schulfachs „Gesundheit“ beraten. Nicht zuletzt hinaus finden auf dem 127. Deutschen Ärztetag Präsidiums-Wahlen statt.
Der Ärztetag wird sich außerdem mit dem zunehmenden Einfluss fachfremder Finanzinvestoren auf die ambulante Patientenversorgung in Deutschland befassen. „Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind grundsätzlich eine sinnvolle Ergänzung der ambulanten Versorgungsstrukturen. Auch Investitionen in Gesundheitseinrichtungen sind nicht per se schlecht. Kritisch wird es, wenn private Investitionen ausschließlich an hohe Renditeerwartungen geknüpft werden und Profite vor Patienteninteressen gehen“, stellte der Bundesärztekammer-Präsident bereits klar.