Die Datenflut in der Medizin beherrschen

(Gastbeitrag von Dr. med. Adolf Sonnleitner) Pro Jahr erzeugt ein durchschnittliches Krankenhaus etwa 100.000 Texte, darunter Arztbriefe, Pflegedokumentationen, Befunde und vieles mehr. Die Digitalisierung der Dokumente nutzt sicher der Informationsweitergabe, andererseits birgt sie einige Tücken, auf die Krankenhäuser und Arztpraxen meist nicht vorbereitet sind.

In Deutschland hat das E-Health-Gesetz die besten Voraussetzungen für einen umfassenden Datenaustausch zwischen Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen geschaffen. Und auch in den Nachbarländern Österreich (ELGA) und Schweiz (elektronisches Dossier) setzt man auf Vernetzung und Datenaustausch.

Die Situation in den Nachbarländern

In Österreich wird die Digitalisierung der Gesundheitsakten schrittweise durchgeführt: Seit Ende 2015 wird ELGA (Elektronische Gesundheitsakte) nach und nach in Krankenhäusern, Vertragsarztpraxen, Apotheken und Pflegeeinrichtungen eingeführt. Hintergrund ist die flächendeckende Vernetzung und der orts- sowie zeitunabhängige Zugang zu Gesundheitsdaten. Mit der Elektronischen Gesundheitsakte können Patienten auch erstmals selbst ihre eigenen Daten einsehen und verwalten mit dem Vorbehalt, keine Daten selbst einzugeben. Durch die strikte Regelung der Zugriffe auf die Daten ist auch der Datenschutz gewährleistet: Nur Patienten selbst und behandelnde oder betreuende Mediziner dürfen die Gesundheitsdaten einsehen.

Ein ähnliches System, aber im Gegensatz zu Österreich nur mit Anmeldung („opt-in“), ist das elektronische Dossier in der Schweiz. Es ermöglicht wie ELGA einen orts- und zeitunabhängigen elektronischen Zugriff auf Gesundheitsdaten. Ergänzend kommen Online-Dienste hinzu, die Informationen zur Förderung der persönlichen Gesundheitskompetenz anbieten. Darüber hinaus ermöglicht der Dienst Telemedizin die Beratung über eine räumliche Entfernung hinweg; Telemonitoring beinhaltet die Beobachtung von Patienten außerhalb medizinischer Einrichtungen.

Datenflut beherrschen

Diese Systeme unterstützen zwar, können Ärzte aber auch unter Druck setzen: Patienten erwarten oder setzen voraus, dass der Arzt alle diese Informationen, die nun elektronisch verfügbar sind, gelesen hat und bestens informiert ist. Tatsächlich hat der Arzt im Schnitt nur drei bis fünf Minuten Zeit, um sich einen Überblick mithilfe der vorliegenden Krankenakte zu verschaffen.

Hinzu kommen dann immer häufiger noch mehr oder weniger qualifizierte Daten aus diversen Fitness-Trackern, Apothekendaten, Patienteninfo und weiteren Quellen. Hier kann der Mediziner nicht mehr Relevanz und Aktualität unterscheiden. Es ist fast unmöglich alle Daten zu sichten und irrelevante Informationen auszuschließen. In diesem Punkt können intelligente Suchinstrumente Abhilfe schaffen. Diese ermöglichen eine Zusammenfassung, die fachspezifisch die wesentlichen Ereignisse des Patienten hervorhebt, und unterstützen den Arzt beim Suchen nach relevanten Informationen.

 Wissensmanagement im Gesundheitswesen

Solche Suchinstrumente sind beispielsweise Enterprise Search Systeme. Diese verknüpfen interne mit externen Informationen und schaffen eine semantische Wissensdatenbank. Dadurch stehen alle relevanten Informationen für die Recherche des Arztes direkt zur Verfügung. Mittels semantischer Analyse werden die angebundenen Datenquellen durchsucht und relevante Informationen schnell sowie einfach geliefert. Die jewiligen Zugriffsrechte der Nutzer werden dabei stets berücksichtigt und eingehalten.

Die Darstellung der Suchergebnisse ist entsprechend der medizinische Bedürfnisse angepasst und bietet dem Fachpersonal auf sie zugeschnittene Übersichten. In einer 360-Grad-Sicht werden allgemeine Informationen sowie wichtiges Zusatzwissen wie Fachrichtlinien oder „Standard operating procedures“ zu Patienten oder für Abteilungen angezeigt, das für den Arzt oder Pfleger relevant sein könnte.

Grafik Patient Summary
Enterprise Search Anwendungen wie „Mindbreeze InSpire“ erstellen für jeden Patienten eine Patient Summary in Form eines Zeitstrahls. (Grafik: Mindbreeze)

Diese übersichtliche Darstellung von Diagnosen, Leistungen, Therapien oder Medikationen ermöglicht den Nutzern das Erkennen von Mustern. Spezifische Patientenkollektive können herausgefiltert und eingehend analysiert werden. Zusätzlich werden vordefinierte Datenelemente wie Alter, Medikamente, Diagnosen und Leistungen als Filter mit Anzahl der jeweiligen Treffer dargestellt. Das bietet eine rasche Visualisierung der Verteilung von Eingriffen, etwa nach Altersgruppen, und die dokumentierten, diagnostizierten Risikofaktoren dieser Patienten. Durch Klick auf Vorschau werden dem medizinischen Fachpersonal zusätzlich in einer Zusammenfassung, in der sogenannten Patient Summary, die Fall- bzw. Patienteninformationen angezeigt (Bild). Das spart viel Zeit und verschafft einen optimalen Überblick.

Fazit

Jahrelang haben Ärzte und Pflegekräfte viel Zeit für die Dokumentation aufgewendet. Diesem Aufwand zum Trotz können auszubildende Ärzte beispielsweise die Erfahrungen von älteren Kollegen nicht nutzen, da diese nicht abrufbar sind. Und auch einfache Fragestellungen, wie etwa nach der Anzahl der Patienten mit Diagnose Diabetes und auffälligen Leberwerten in der Abteilung, können nicht beantwortet werden.

Mit dem Einsatz von Enterprise Search Systemen für ein effektives Wissensmanagement lässt sich dieses Dilemma im Gesundheitsbereich lösen. Sie fassen wesentliche Inhalte zusammen und zeigen dem medizinischen Fachpersonal relevante Informationen auf einen Blick. Diese intelligenten Suchanwendungen machen also das Wissen von internen und externen Daten zugänglich und erlauben – übersichtlich und schnell ­– den Erfahrungsschatz zu heben, der in Millionen abgelegten Dokumenten vorhanden ist.

Autor: Dr. Adolf Sonnleitner
Dr. med. Adolf Sonnleitner ist Key Account Manager und Experte für den Bereich Gesundheitswesen bei Mindbreeze, einem Anbieter von Appliances für Enterprise Search, Big Data und Wissensmanagement mit Hauptsitz in Linz/Österreich.