Deep Learning für schnelle Leber-Analyse

Ein neuer Deep Learning Algorithmus könnte Radiologen in Zukunft bei der Magnetresonanztomografie-Untersuchung der Leber assistieren und die zeitaufwändige Analyse deutlich beschleunigen. Erste Ergebnisse sind vielversprechend. Zudem lässt sich das Verfahren auch auf andere diagnostische Fragestellungen übertragen.

Immer häufiger werden von Radiologen dreidimensionale Datensätze verlangt. Chirurgen, die im Bauchraum operieren, wollen beispielsweise genau über die räumliche Struktur eines Organs und der angrenzenden Regionen Bescheid wissen, um optimal operieren zu können. Benötigt werden die dreidimensionalen Analysen auch von Kardiologen und Herzchirurgen, die künstliche Herzklappen einsetzen. Bei vielen solcher dreidimensionalen Auswertungen müssen Organe segmentiert werden, um die gewünschten Informationen liefern zu können. Für die Computertomografie (CT) gibt es erste Softwareprogramme, die die Segmentierung zumindest teilweise automatisieren. Bei der Magnetresonanztomografie (MRT) ist das etwas komplizierter: „Das gilt insbesondere auch für die Leber, bei der die manuelle Segmentierung eines MRT-Datensatzes zehn bis 20 Minuten dauert, also sehr zeitaufwändig ist. Die Form der Leber wird sowohl durch die Atmung als auch durch verschiedene Krankheiten beeinflusst. Das macht es schwierig, sie automatisch zu analysieren“, betont Dr. Niklas Verloh vom Institut für Röntgendiagnostik am Universitätsklinikum Regensburg.

Gemeinsame Forschung nach zufälligem Treffen 

Gemeinsam mit seinen Kollegen Dr. Hinrich Winther vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat Verloh das neue Verfahren entwickelt. Die beiden Radiologen hatten sich vor knapp zwei Jahren bei einem Workshop der Deutschen Röntgen-Gesellschaft (DRG) kennengelernt. Zusammen beschlossen sie, dass die Zeiten der manuellen Segmentierung von 3D-MRT-Untersuchungen der Leber langsam zu Ende gehen müssen. „Moderne Ansätze des Maschinenlernens machen solche etwas aufwändigeren Analysen heute möglich. Es gibt mittlerweile neuronale Netzwerke, die auf 3D-Datensätzen basieren und deutlich bessere Ergebnisse liefern als ältere neuronale Netzwerke“, sagt Verloh. Ein solches neuronales Netzwerk haben die beiden Wissenschaftler genutzt und es anhand von insgesamt 100 Patienten in einem mehrstufigen Verfahren trainiert und validiert.

Segmentierung in einer Minute

Im Ergebnis zeigt die Validierung, dass der trainierte Algorithmus die Segmentierung der Leber anhand des MRT-Datensatzes mit hoher Genauigkeit durchführen kann. „Wir sind aktuell in einem Bereich, der hinsichtlich der Unterschiede zwischen den Auswertungen vergleichbar ist mit den Unterschieden zwischen zwei menschlichen Auswertern. Das ist zu diesem frühen Trainingszeitpunkt ein sehr gutes Ergebnis“, so Verloh.

Die Radiologen haben sich einige Segmentierungen im Detail angesehen und dabei etwas Interessantes festgestellt: Die Unterschiede zum Menschen kamen oft dadurch zustande, dass der Algorithmus genauer segmentiert hat als die Menschen. Das wirft die Frage auf, ob die Auswertung durch einen Radiologen wirklich als Goldstandard anzusehen ist. „Theoretisch kann ein Mensch zu 100 Prozent genau segmentieren, jedoch ist dies in der klinischen Routine, auf Grund der zeitintensiven Tätigkeit, nur eingeschränkt möglich“, so Verloh. Der Algorithmus arbeitet sehr schnell. Bei einer MRT mit 64 Schichten benötigt das neuronale Netzwerk für die Segmentierung im Schnitt nur 60 Sekunden.

Vielversprechende Erfahrungen

Auch für andere Organe könnte das Verfahren zum Einsatz kommen. An der MHH hat Dr. Hinrich Winther den Segmentierungsalgorithmus bereits zur Segmentierung der Lunge und des Herzens eingesetzt. „Die ersten Erfahrungen damit sind ebenfalls sehr vielversprechend“, so der Radiologe aus Hannover.

Der Wissenschaftler betont jedoch, dass es sich bei den Einsatzszenarien des Segmentierungsalgorithmus im Moment noch um Forschungsprojekte handelt: „Das sind noch keine zugelassenen Medizinprodukte und damit noch keine Werkzeuge für die klinische Routine“, so Winther. Für diesen nächsten Schritt wären technische Partner erforderlich.