Apple hat auf der Entwicklerkonferenz WWDC im kalifornischen San José eine Schnittstelle vorgestellt, die das iPhone künftig zur elektronischen Gesundheitsakte macht. Zudem wurden Funktionen vorgestellt, die Nutzer vor Handy-Sucht schützen können.
Das Phänomen ist keineswegs mehr neu: Immer mehr Smartphone-Besitzer greifen quasi unbewusst in jeder unbeschäftigten Sekunde zu ihrem Gerät, checken eingegangene Nachrichten oder rufen Webseiten auf. Das mag in wichtigen Fällen erklärbar sein, kann sich allerdings auch zur unkontrollierten Sucht entwickeln.
Mit dem jüngsten Update auf das mobile Betriebssystem iOS 12, das ab Herbst 2018 zur Verfügung steht, wird Apple die iPhone-Nutzer aktiv über ihr Nutzungsverhalten informieren. Die neue App „Screen Time“ erstellt detaillierte tägliche und wöchentliche Aktivitätsberichte. Sie zeigt die Gesamtzeit an, die man in jeder verwendeten App verbringt und listet auf, wie viele Mitteilungen man erhält und wie oft man sein iPhone oder iPad täglich herausholt.
Gegen den Smartphone-Wahn
Apple positioniert die App primär als Lösung für Eltern: Eltern können den Aktivitätsbericht ihres Kindes direkt von ihren eigenen iOS-Geräten aus aufrufen, um zu verstehen, wo ihr Kind die meiste Zeit verbringt und, um App-Limits für sie zu verwalten und festzulegen. Aber: Die App kann und sollte auch über das eigene Nutzungsverhalten aufklären. Wer täglich stundenlang in Facebook aktiv ist oder 40-mal pro Tag sein Smartphone startet, sollte ernsthaft darüber nachdenken, ob nicht ein Suchtverhalten besteht. Mit dieser App leistet Apple einen wertvollen Beitrag dazu, eine vermutlich bereits weitverbreitete psychische Störung in den Griff zu bekommen.
Apple will der Smartphone-Sucht auch noch anderweitig entgegenwirken: Um etwa beim Abendessen, im Kino, während der Nachtruhe oder bei Besprechungen nicht gestört zu werden, können beim Apple-Smartphone ab iOS 12 Klingeltöne, der Vibrationsalarm und die Bildschirm-Anzeige per Fingertipp schnell deaktiviert werden.
iPhone wird zur Gesundheitsakte
Apple hat den Softwareexperten auf der WWDC auch eine neue eine Schnittstelle vorgestellt, die es künftig ermöglichen soll, geteilte Daten der Gesundheitsakte auszulesen. Mit Hilfe der Schnittstelle können iPhone-Apps auf medizinische Daten des Nutzers zugreifen. Damit könnte das iPhone zur elektronischen Gesundheitsakte werden. Nach den Worten von Apple COO Jeff Williams soll die Anwender so im Zusammenspiel mit anderen von Apps erhobenen Körperdaten einen „gesamtheitlichen Blick“ auf ihre Gesundheit erhalten.
Solide Datenbasis verbessert Apps
Gesundheits-Apps können so künftig auf eine solide Datenbasis zugreifen: Durch die bessere Kenntnis des Nutzers und seiner Vitalwerte könnte etwa bei Medikamenteneinnahme gezielt vor gefährlichen Wechselwirkungen gewarnt werden. Bei Apps zur Unterstützung einer gesunden Ernährung oder einer Diät könnten gezielt etwa die Blutdruckwerte des Nutzers berücksichtigt werden.
Seriöser Datenschutz
Apple räumt dabei dem Datenschutz großes Augenmerk ein: Der Zugriff auf Daten aus der Patientenakte werde nur nach ausdrücklicher Freigabe durch den jeweiligen Nutzer möglich sein. Gesundheitsdaten, die auf Apps verarbeitet werden sollen, übermittelt die neue Schnittstelle direkt an die jeweilige App. Es werden keine Gesundheitsdaten auf die Server von Apple übertragen.
Nutzung bisher nur in den USA
Eine Patientenakte („Health Records“) für das iPhone hatte Apple kürzlich mit dem Update auf iOS 11.3 eingeführt. iPhone-Nutzern ist es damit erstmalsw möglich, ihre in Krankenhäuser gesammelten medizinischen Daten, etwa Laborwerte, Angaben zu Allergien, Medikamentierung und Untersuchungsergebnisse, herunterzuladen und auf dem Gerät zu speichern. Für die in die Health-App integrierte Akte setzt Apple auf den Standard FHIR, der auch in Europa im Einsatz ist. Unterstützt wird die iPhone-Gesundheitsakte bislang allerdings ausschließlich von Kliniken in den USA.