Die Telematikinfrastruktur (TI) soll alle Akteure im Gesundheitswesen miteinander vernetzen. Die Zeit läuft, bis Ende des Jahres sollen alle Praxen an die TI angeschlossen sein. Ob das tatsächlich gelingt, scheint allerdings noch fraglich. Im Interview mit mednic.de beleuchtet Michael Brockt, Vertriebsleiter eHealth Deutschland bei der Concat AG, die aktuelle Entwicklung in diesem Bereich.
Mednic.de: Was halten Sie von der Forderung des Ärztetags nach einem E-Health-Gesetz II?
Michael Brockt: Der Stichtag für das E-Health-Gesetz war und ist allen bekannt. Hersteller hatten bis dahin immerhin zwei Jahre lang Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Die Chancen standen also mehr als gut, den Zeitplan einzuhalten. Tatsache ist allerdings, dass alle Hersteller bis auf die CompuGroup Medical Deutschland (CGM) bislang nicht liefern können. Nun wächst die Unsicherheit insbesondere bei kleineren Unternehmen. Es kann meiner Ansicht jedoch nicht sein, ein Gesetz aus diesem Grund einfach zu verschieben.
Mednic.de: Ist der Termin bis Ende des Jahres für das E-Health-Gesetz zu halten?
Michael Brockt: Mit Sicherheit. Es müssen noch rund 150.000 Installationen in Arztpraxen und Krankenhäusern durchgeführt werden. Seit der Zertifizierung der Gesamt-Lösung durch die Gematik im April arbeitet die Concat zusammen mit derzeit rund 130 zertifizierten Partnern mit Hochdruck an der Anbindung an die TI. Pro Tag schafft es jeder dieser Partner, zwei Praxen an die Telematikinfrastruktur anzubinden. Unser Ziel ist die Zertifizierung von 300 Partnern, die dann pro Tag 600 Praxen anbinden können. Wir sind davon überzeugt, dass wir dieses Ziel erreichen und bis Ende des Jahres rund 20.000 Installationen durchgeführt haben werden, zumal uns seit der conhIT Ende April immer mehr Anfragen von Fachhändlern und Systemhäusern erreichen.
Es müssen aber noch mehr Dienstleister als bisher mitziehen, um das ehrgeizige Ziel zu stemmen, alle Praxen fristgerecht an die TI anzubinden. Das erweist sich derzeit noch als problematisch, weil bislang nur die wenigsten Dienstleister eine gesicherte Lieferkette vorweisen können und die Zertifizierung erfahrungsgemäß lange dauert. Ich gehe jedoch davon aus, dass der Markt ab September in Bewegung kommen wird. Es wäre also möglich, dass Sanktionen auf einige Ärzte zukommen. Die Schuld dafür trifft meiner Ansicht nach jedoch nicht den Gesetzgeber, sondern eindeutig die Hersteller und manche Vertreterorganisationen der Ärzte und Zahnärzte.
Mednic.de: Wie sehen Sie in diesem Zusammenhang den öffentlich ausgetragenen Diskurs rund um die elektronische Gesundheitskarte?
Michael Brockt: Diese Diskussion und die immer wieder entstehenden Falschmeldungen halte ich für sehr schädlich. Die Karte muss für diese Patienten in diesem Jahr umgesetzt werden. Hier sind alle Akteure gefragt, sich gemeinsam und konstruktiv an dem Prozess zu beteiligen. In diesem Zusammenhang hege ich keinerlei Verständnis für destruktives Handeln. So sollten meiner Meinung nach beispielsweise alle Organisationen, die den Prozess blockieren, mit Sanktionen abgestraft werden.
Weder Krankenkassen noch Ärzte sollen Patientendaten verwalten
Mednic.de: Wie bewerten Sie die Idee des digitalen Bürgerportals, über das Patienten nach Ansicht von Minister Spahn zum Beispiel via Smartphone auf ihre Daten zugreifen sollen?
Michael Brockt: Rein technisch ist das bereits jetzt möglich. Per Drei-Wege-Authentifizierung ist die Sicherheit gewährleistet. Die Daten sollten aber in jedem Fall von einer unabhängigen Stelle verwaltet werden. In diesem Zusammenhang halte ich es für falsch, dass Kassen wie TK und Co. an einer eigenen Fallakte arbeiten. Dagegen sollten Patienten protestieren, denn die Daten gehören ihnen. Mein Vorschlag wäre es, dass eine unabhängige Organisation, bestehend aus Patientenvertretern, die Daten verwalten sollte.
Mednic.de: Wie sieht Ihrer Ansicht nach eine optimale Anbindung von Arztpraxen an die TI aus?
Michael Brockt: Das ist im Prinzip vom Gesetzgeber recht genau festgelegt. Wir bieten Arztpraxen das bereits erwähnte und zertifizierte Telematik-Komplettpaket an. Es besteht aus den zertifizierten Komponenten – KoCoBox MED+ Konnektor und Kartenlesegeräte von Ingenico beziehungsweise Cherry sowie einem VPN-Zugangsdienst. Der Anschluss an die TI erfolgt über einen unserer Partner. Für den Support ist anschließend unser eigenes Technikteam in Rheinland-Pfalz zuständig.
Bei Krankenhäusern sieht die Sache etwas komplizierter aus. Eigentlich müsste jede einzelne Stelle in einem Krankenhaus von der Notaufnahme über die Verwaltung bis hin zu den einzelnen Stationen und Ambulanzen einzeln an die TI angebunden werden. Das wäre dann vergleichbar mit der Anbindung von Arztpraxen. Im Krankenhaus ist der Aufwand dafür jedoch sehr hoch. Dass es auch anders gehen kann, haben wir auf der conhIT gezeigt und das Konnektor-Hosting vorgestellt. Dabei wird der der Betrieb des Konnektors in ein hochsicheres Rechenzentrum verlagert und dort über eine spezielle Software überwacht. Hier hat der Kunde die Wahl: er kann entweder unser Rechenzentrum oder das Datacenter im eigenen Haus nutzen. Mit dem Konnektor-Hosting lassen sich bis zu 80 Konnektoren verwalten. Selbstverständlich müssen die Konnektoren entsprechend zertifiziert sein. Die Vorteile der Methode ist aber bestechend: Der Aufwand für die Anbindung und die Verwaltung sinkt deutlich und es ist keine weitere Zertifizierung erforderlich.