Was sich 2022 im Gesundheitswesen ändert

Gruppe Mediziner*innen und Mitarbeitende im Gesundheitswesen
Neues Jahr - neue Regeln im Gesundheitswesen: Das Jahr 2022 bringt zahlreiche Änderungen, die größtenteils in Zusammenhang mit der Digitalisierung stehen. (Foto: Edhar/123rf.com)

Mehr Funktionen für die elektronische Patientenakte, der „gelbe Schein“ wird weiter digitalisiert. Das Jahr 2022 bringt für Ärzte und Mitarbeitende im Gesundheitswesen viele Neuerungen mit sich. Die Stiftung Gesundheitswissen hat alle wesentlichen Punkte zusammengefasst.

Das Wichtigste zuerst: Noch immer hat uns die Corona-Pandemie fest im Griff. Deshalb hat das Bundesgesundheitsministerium zahlreiche pandemiebedingte Sonderregelungen verlängert.

So kann das Kinderkrankengeld auch 2022 je versichertem Kind grundsätzlich für 30 statt 10 Tage in Anspruch genommen werden. Alleinerziehende haben Anspruch auf 60 statt 20 Tage. Die Regelungen zur finanziellen Entlastung von Pflegebedürftigen und pflegenden Angehörigen gelten bis zum 31. März 2022. Die Zahlung des Pflegeunterstützungsgeldes wird wegen der Pandemie von zehn auf 20 Arbeitstage verlängert. Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 können den Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro monatlich auch für Hilfen außerhalb der geltenden Regelung einsetzen, um so Corona-bedingte Versorgungsengpässe auszugleichen. Und eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst, um die Pflegebedürftigkeit festzustellen, kann ohne Untersuchungen des Versicherten in seinem Wohnbereich erfolgen. Die Einstufung erfolgt dann nach Aktenlage und einer telefonischen Befragung.

Auch die geltenden Sonderregeln in der ambulanten ärztlichen Versorgung werden im Zuge der vierten Infektionswelle bis zum 31. März 2022 verlängert. Dazu zählen eine telefonische Krankschreibung bis zu sieben Kalendertagen bei Erkältungssymptomen oder das vermehrte Angebot an Video-Sprechstunden. Krankenhausärztinnen und -ärzte können eine Arbeitsunfähigkeit für eine Dauer von bis 14 Kalendertagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus bescheinigen. Die Regelung tritt am 31. Mai außer Kraft. Die Stiftung Gesundheitswissen informiert hier zu weiteren Details.

Videosprechstunde wird ausgeweitet

Eine Behandlung über Videochat oder Telefon kann grundsätzlich von allen Arztgruppen angeboten werden – ausgenommen sind Ärzte ohne direkten Patientenkontakt, wie Laborärzte, Nuklearmediziner, Pathologen und Radiologen. Psychotherapeutinnen und -therapeuten dürfen die Videosprechstunde hingegen nur für Patienten anbieten, die bereits bei ihnen eine Therapie begonnen haben. Die Kosten für den digitalen Arztbesuch werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Ärzte dürfen allerdings maximal 20 Prozent ihrer Patienten online betreuen.

Seit Oktober 2020 können Ärzte auch mittels Videosprechstunde die Arbeitsunfähigkeit von Versicherten feststellen. Allerdings galt das bisher nur für Versicherte, die in der Arztpraxis bereits bekannt sind. Ab jetzt können auch Patienten per Videosprechstunde krankgeschrieben werden, die vorher noch nie in dieser Praxis waren – allerdings für höchstens drei Tage.

Corona-Impfpflicht ab März

Die Bundesregierung hat ein neues Impfpräventionsgesetz beschlossen. Das Gesetz sieht erstmals auch eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen vor: für das Personal von Arztpraxen, Kliniken, Rettungsdiensten, Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen, in denen Menschen mit Behinderungen betreut werden sowie sozialpädagogische Zentren. Die Impfpflicht soll ab dem 15. März 2022 gelten. Personen aus diesen Berugfsgruppen müssen folglich bis zum 15. März 2022 entweder vollständig geimpft oder genesen (im Sinne der COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung) sein. Ausgenommen sind Personen, die auf Grund medizinischer Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können.

Sozialversicherungsbeiträge stabil

Damit die Sozialversicherungsbeiträge nicht steigen, hat der Bund eine zusätzliche Milliardenhilfe beschlossen. Die gesetzlichen Krankenversicherungen bekommen, umgesetzt über einen Zuschuss an den Gesundheitsfonds, 2022 einen ergänzenden Zuschuss von 14 Milliarden Euro. So sollen die Zusatzbeiträge der Versicherten bei durchschnittlich 1,3 Prozent bleiben. Insgesamt erhält die gesetzliche Krankenversicherung damit im kommenden Jahr 28,5 Milliarden Euro aus Steuermitteln.

Beitragsbemessungsgrenze ebenfalls stabil

Die Beitragsbemessungsgrenze bleibt auf dem Niveau von 2021. Sie ist die maßgebende Rechengröße für die Sozialversicherung und wird entsprechend der Entwicklung der Löhne und Gehälter jährlich angepasst. Dadurch ändern sich die Einkommensgrenzen, von denen oder bis zu denen Beiträge zu zahlen sind. In den letzten Jahren wurde diese meist erhöht. Das ist diesmal anders. Ab dem 1. Januar 2022 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unverändert 58.050 Euro im Jahr. Die Versicherungspflichtgrenze in der GKV liegt unverändert bei 64.350 Euro brutto im Jahr. Wer mehr als diesen Betrag verdient, kann sich privat krankenversichern lassen.

Der „gelbe Schein“ wird weiter digitalisiert

Gesetzlich Versicherte erhalten bis dato einen „gelben Schein“, die sie der Arzt krankschreibt. Diese Papier-Scheine sollen allmählich weniger werden. Seit dem 1. Oktober 2021 übermitteln Ärzte die Krankmeldungen bereits digital an die gesetzlichen Krankenkassen. Dass auch der Arbeitgeber von der Krankmeldung erfährt, fällt bishert in den Aufgabenbereich der Angestellten. Doch nicht mehr lange: Ab dem 1. Juli 2022 sollen die gesetzlichen Krankenkassen die Krankmeldungen auch den Arbeitgebern digital zur Verfügung stellen. Der „gelbe Schein“ wird also schrittweise digitalisiert. Er verschwindet aber nicht ganz: Die Ärzte sind verpflichtet, den Patienten ein analoges Belegexemplar auszustellen.

Elektronische Patientenakte kann mehr

Arztberichte, Befunde, Röntgenbilder – all das kann theoretisch bereits seit einem Jahr in der elektronischen Patientenakte (ePA) hinterlegt werden. Ab Januar 2022 ist auch der Impfausweis, das gelbe U-Heft für Kinder, das Zahnbonus-Heft und der Mutterpass in der ePA speicherbar. Versicherte bekommen die Möglichkeit, über ihr Smartphone oder Tablet für jedes in der ePA gespeicherte Dokument einzeln zu bestimmen, wer darauf zugreifen kann. Bei einem Krankenkassenwechsel können Patienten ihre Daten aus der ePA übertragen lassen. Der Gebrauch der elektronischen Patientenakte bleibt freiwillig. Zu Beginn des Jahres 2022 werden auch die ersten privaten Krankenversicherungen die elektronische Patientenakte anbieten.

Die Stiftung Gesundheitswissen informiert auf ihrer Website darüber, wie man als Patient an eine solche Akte kommt, welche Vorteile sie bringen kann und wie man die Kontrolle über seine Daten behält.

Pflegereform tritt in Kraft

Die große Koalition hat sich vor der Bundestagswahl auf eine Pflegereform geeinigt. Demnach wird die Pflegeversicherung ab 2022 vom Bund mit einer Milliarde Euro jährlich bezuschusst. Des Weiteren wird der Beitragszuschlag für Kinderlose um 0,1 Prozentpunkte angehoben. Dadurch würde die Pflegeversicherung laut Bundesgesundheitsministerium zusätzlich 400 Millionen Euro pro Jahr erhalten. Damit Pflegebedürftige von steigenden Kosten nicht überfordert werden, zahlt die Pflegeversicherung bei der Versorgung im Pflegeheim künftig einen Zuschlag. Dieser soll mit der Dauer der Pflege steigen: Im ersten Jahr trägt die Pflegekasse 5 Prozent des Eigenanteils, im zweiten Jahr 25 Prozent, im dritten Jahr 45 Prozent und danach 70 Prozent. 

Außerdem werden in der ambulanten Pflege die Sachleistungsbeträge um 5 Prozent erhöht und der Leistungsbetrag der Pflegeversicherung zur Kurzzeitpflege wird um 10 Prozent angehoben. Ab dem 1. September 2022 sollen zudem nur noch Pflegeeinrichtungen zur Versorgung zugelassen werden, die ihre Pflege- und Betreuungskräfte nach Tarif bezahlen. Ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel soll die Einstellungen zusätzlicher Pflegekräfte erleichtern und so dem Mangel an Pflegekräften entgegenwirken.

Kontrollierter Cannabis-Verkauf in Vorbereitung

Die Parteien der Ampel-Koalitionen wollen den Verkauf von Cannabis zu Genusszwecken legalisieren. Darauf hatte sich im November 2021 die Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege der Ampelkoalition geeinigt. Geplant ist eine kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene in lizenzierten Geschäften. So solle die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindert und der Jugendschutz gewährleistet werden. Wann die Legalisierung umgesetzt werden soll, steht allerdings noch nicht genau fest. Unter Medizinern ist die Legalisierung umstritten. 

Mehr Aufklärung über Organspende

Mehr als 9.000 Menschen warten in Deutschland laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation auf eine Organspende. Die meisten davon brauchen eine Niere. Die Zahl der Menschen, die einen Organspendeausweis besitzen, ist in den vergangenen Jahren zwar gestiegen. Dennoch wissen noch immer nicht genügend Menschen über das Thema Organspende Bescheid. Hausärzte kommt deshalb eine aktivere Rolle bei der Aufklärung über die Organspende zu. Ab März 2022 sollen sie ihre Patienten alle zwei Jahre über die Organ- und Gewebespende informieren. Das sieht das Gesetz „zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ vor, dass der Bundestag im Januar 2020 verabschiedet hatte. Ab März 2022 soll zudem ein neues Organspenderegister an den Start gehen. Spendererklärungen können dann auch elektronisch abgegeben oder widerrufen werden.

Zahlreiche Tattoo-Farben verboten

Zum Januar 2022 tritt eine neue EU-Verordnung für Tattoo-Farben in Kraft. Mehr als 4000 chemische Stoffe, die für Tattoo-Tinte und Permanent-Make-up verwendet werden, sind dann verboten. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) sieht in den Chemikalien ein Gesundheitsrisiko. Sie können Hautallergien und andere schwerwiegendere Auswirkungen auf die Gesundheit wie genetische Mutationen und Krebs verursachen, schreibt die ECHA. Das Verbot ist in der sogenannten Reach-Verordnung festgehalten. „Reach“ steht für Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien. Etwa 12 Prozent der Menschen in Europa haben ein Tattoo. Studien darüber, wie groß das Gesundheitsrisiko durch die chemischen Substanzen in den Farben tatsächlich ist, gibt es bisher allerdings nicht.

Elektronisches Rezept startet später

Ursprünglich sollte das elektronische Rezept ab Januar 2022 Pflicht werden. Die Einführung wurde jedoch im Dezember 2021 verschoben. Das teilte das Bundesministerium für Gesundheit in einem Schreiben den anderen Gesellschaftern der Gematik GmbH mit. Darin heißt es, dass die erforderlichen technischen Systeme noch nicht flächendeckend zur Verfügung stehen würden. Die Testphase für das E-Rezept soll daher verlängert werden. Künftig sollen Ärzte gesetzlich versicherten Patienten Rezepte nur noch digital ausstellen. Versicherte, die kein elektronisches Rezept wünschen, können aber auch weiterhin einen Papierausdruck des E-Rezepts erhalten.

Die App E-Rezept kann auch in der Testphase kostenlos in den App-Stores heruntergeladen werden. Technische Voraussetzungen ist ein NFC-fähiges Smartphone mit mindestens iOS 14 oder Android 7. Notwendig ist außerdem eine elektronische Gesundheitskarte mit dazugehöriger PIN. Wer den PIN-Code nicht kennt, kann ihn bei seiner Krankenkasse anfordern.