Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) trägt dem wachsenden Bedarf an komplexen Genomanalysen in den Lebenswissenschaften Rechnung und fördert deutschlandweit vier zentrale Kompetenzzentren für Hochdurchsatzsequenzierungen mit insgesamt 14 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren.
Die Besonderheit des aktuellen Förderprogramms ist die übergeordnete Strategie, mit der die DFG vier spezialisierte NGS-Zentren für das gesamte Bundesgebiet schafft. Sie sollen als gemeinsame Serviceeinrichtung für die Wissenschaft dienen und nach identischen Standards arbeiten.
Die vier geförderten Zentren sind: das „West German Genome Center“, eine Kooperation unter Federführung der Universität zu Köln mit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf; das „NGS Competence Center Tübingen“ der Eberhard Karls Universität Tübingen; das „Dresden-concept Genome Center“ der Technischen Universität Dresden; sowie das „Competence Centre for Genomic Analysis Kiel“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Kompetenzzentren wurden im Rahmen einer Ausschreibung und durch eine Begutachtungsgruppe unter internationaler Beteiligung nach wissenschaftlichen und infrastrukturellen Qualitätskriterien ausgewählt.
An der Kieler Christian-Albrechts-Universität befindet sich eine der deutschlandweit größten akademischen Sequenziereinheiten. Wissenschaftlicher Schwerpunkt sind die Entschlüsselung der molekularen Ursachen chronisch-entzündlicher Erkrankungen, die Untersuchung der komplexen Beziehungen von Lebewesen mit den sie besiedelnden Bakterien in der sogenannten Mikrobiomforschung und die genetische Untersuchung von archäologischen Funden. Zusätzlich zu den hier bereits vorhandenen sechs Geräten werden mit der Fördermaßnahme ein neues „NovaSeq“-Sequenziergerät und ein ultraschneller Rechenserver angeschafft. Dieses Gerätesystem kann Proben vier Mal so schnell analysieren wie der bisher leistungsfähigste Kieler Sequenzierer.
Next Generation Sequencing
Ende der 1970er Jahre wurden die ersten Techniken entwickelt, um das Erbgut verschiedener Organismen von Bakterien bis hin zum Menschen zu entschlüsseln. Die heute genutzten Verfahren für Genomanalysen sind um Größenordnungen leistungsfähiger als noch vor einigen Jahren und werden unter dem Begriff „Next Generation Sequencing “(NGS) zusammengefasst. Mit der stetig leistungsfähiger werdenden Technik ist in den letzten Jahren eine vollkommen verborgene Welt zugänglich geworden: So lässt sich heute der genetische Code eines Menschen oder der Funktionszustand von zehntausenden Einzelzellen innerhalb weniger Stunden vollständig entziffern.
Mit den vier NGS-Zentren soll künftig in der nationalen Forschungslandschaft insgesamt die Fähigkeit gefördert werden, zunehmend komplexe genetische Analysen aus einem breiten Spektrum von Anwendungsfeldern zu bearbeiten und zu interpretieren. Dazu ist ein breites Experten-Netzwerk notwendig, um die sehr unterschiedlichen Anwendungsgebiete abzudecken. Für das Kieler Zentrum sind deshalb neben den Uni-Forschenden Wissenschaftler aus sechs weiteren Institutionen beteiligt: dem Geomar- Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, dem Forschungszentrum Borstel, der Universität zu Lübeck, dem Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie in Plön, dem Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie in Bremen und der Universität des Saarlandes. Gemeinsam tragen sie mit ihrer jeweiligen Expertise dazu bei, Kollegen bei neuen Forschungsprojekten zu beraten und sie bei der Analyse der dabei entstehenden riesigen Datenmengen zu unterstützen.
Entzündungsforschung als Treiber
Treibende Kraft für das neue Kieler Zentrum ist der Mediziner und Molekularbiologe Professor Philip Rosenstiel, der auch Mitglied im schleswig-holsteinischen Exzellenzcluster „Entzündungsforschung“ ist. „In den letzten zehn Jahren haben wir mit dieser Technologie zu herausragenden Erkenntnissen beitragen können. Neben unserer Rolle als verlässlicher Partner wird dieser Erfolg unsere eigene Forschung zu den Ursachen chronisch entzündlicher Erkrankungen erheblich voranbringen“, ist sich Rosenstiel sicher. Mit derartigen Leuchttürmen sei Kiel zum Anziehungspunkt für exzellente internationale Nachwuchsforschende geworden, die mit ihrer Forschung an der Kieler Uni weltweit anwendbare neue Problemlösungen erarbeiten wollen, so Rosenstiel weiter.