Politik treibt Ärzte aus dem Beruf

Mediziner bei Verwaltungsarbeit am PC
Mediziner bei Verwaltungsarbeit am PC: „Standardisierte und erzwungene Datenverwaltung beeinträchtigt erheblich den empathischen Arzt-Patienten-Kontakt“ (Foto: dandamanwasch/123rf.com)

Der Verband Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) kritisiert die Digitalisierung in den Praxen als „fehlgeleitet“. Dies führe zu massiven Behinderungen im Praxisbetrieb, wodurch immer mehr Praxisärzte in Erwägung zögen, ihre Tätigkeit weit vor dem Ruhestand aufzugeben.

Ist die Digitalisierung ein notwendiger Schritt im deutschen Gesundheitswesen? Die rund 2.000 Mitglieder zählende Freie Ärzteschaft e. V. sagt dazu deutlich „nein“. Exemplarisch wird in einer aktuellen Mitteilung des Verbands Dr. Susanne Blessing, Landesvorsitzende der Freien Ärzteschaft (FÄ) in Baden-Württemberg, angeführt. Die Tübinger Hausärztin habe aufgrund der komplexen und störanfälligen digitalen Datenverwaltung beschlossen, ihre Kassenarztpraxis früher als geplant aufzugeben.  „Zuwendung, Vertrauen und ärztliche Kompetenz sind entscheidend für den Behandlungserfolg. Standardisierte und erzwungene Datenverwaltung aber beeinträchtigt erheblich den empathischen Arzt-Patienten-Kontakt“, wird Blessing zitiert.

Digitalisierung als Störfaktor

Der Vorsitzende des FÄ-Bundesverbandes Wieland Dietrich, sieht in der Praxisaufgabe seiner Verbandskollegin einen allgemeinen Trend, allerdings ohne konkrete Zahlen zu nennen: „Viele Praxisärzte überlegen derzeit, ihre Tätigkeit an den Nagel zu hängen – und das durchaus auch weit vor dem Ruhestand.“ Verantwortlich macht er dafür unter anderem die „fehlgeleitete Digitalisierung“ in den Praxen. Diese führe zu massiven Behinderungen im Praxisbetrieb: Bereits beim sogenannten Versichertenstammdatenabgleich, wie er den Arztpraxen aufgedrückt worden sei, komme es immer wieder zu Störungen und Ausfällen. Geplante Anwendungen wie die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, das elektronisches Rezept und die elektronische Patientenakte ließen Ähnliches erwarten. 

Zu wenig berücksichtigte Belange von Patienten und Ärzten

Zudem moniert der FÄ-Chef den mangelnden Datenschutz: „Patientendaten gehören nicht in eine Cloud und Ärzte sind keine Sachbearbeiter, die die Daten für die Verwertung durch Krankenkassen und Industrie sammeln.“ Die aktuelle Gesundheitspolitik stelle die Interessen der IT-Industrie, Krankenkassen und anderen an den Patientendaten interessierten Institutionen und Unternehmen vor die Belange der Patienten und Ärzte.

FÄ-Chef Dietrich warnt angesichts dieser Entwicklung davor, dass Patienten in Deutschland bald vermehrt Engpässen drohen könnten. „Hier geht wertvolle Erfahrung verloren und der Ärztemangel nimmt zu. Wartezeiten auf Termine bei den Haus- und Fachärzten werden sich verlängern – bei vielen Fachärzten warten die Patienten heute bereits oft viele Wochen bis Monate.“