Implantierbares KI-System erkennt Krankheiten

Polymer-basiertes künstliches neuronales Netz. Das stark nichtlineare Verhalten dieser Netze ermöglicht ihren Einsatz im Reservoir-Computing. (Bild: Technische Universität Dresden/TUD)

Ein implantierbares KI (Künstliche Intelligenz)-System zur Früherkennung für Krankheiten haben Forscher der TU Dresden entwickelt. Die Plattform basiert auf einem biokompatiblen KI-Chip und soll gesunden und krankhaften Biosignale in Echtzeit klassifizieren. 

Diagnostische Patientendaten, beispielsweise von EKG, EEG oder Röntgen-Aufnahmen, können in Zukunft mit Hilfe von maschinellem Lernen analysiert werden. So lassen sich Krankheiten anhand von subtilen Veränderungen schon sehr frühzeitig erkennen. Die Implementierung von KI innerhalb des menschlichen Körpers ist allerdings eine große Herausforderung. Wissenschaftlern der Professur für Optoelektronik an der TU Dresden ist es nun erstmals gelungen, eine bio-kompatible implantierbare KI-Plattform zu entwickeln. Sie kann gesunde und krankhafte Muster in biologischen Signalen wie etwa in Herzschlägen in Echtzeit klassifizieren und so auch ohne ärztliche Überwachung krankhafte Veränderungen erkennen.

Ähnliche Struktur wie das menschliche Gehirn

Für den biokompatiblen KI-Chip verwendeten die Forschenden polymer-basierte Faser-Netzwerke. Sie ähneln in ihrer Struktur dem menschlichen Gehirn und ermöglichen das neuromorphe KI-Prinzip des Reservoir-Computings. Die zufällige Anordnung der Polymer-Fasern bildet ein sogenannten „Recurrent Network“. Dadurch lassen sich Daten analog dem menschlichen Gehirn verarbeiten. Die Nichtlinearität dieser Netzwerke ermöglicht vor allem die Verstärkung bereits kleinster Signaländerungen. Solche Änderungen  – wie zum Beispiel beim Herzschlag – lassen sich nur schwer von Ärzten bewerten. Durch die nichtlinearen Transformation mit Hilfe des Polymer-Netzwerkes ist das nun jedoch problemlos möglich.

Genau und sparsam

In Versuchen konnte die KI gesunde Herzschläge von drei häufig auftretenden Rhythmusstörungen mit einer Genauigkeit von 88 Prozent unterscheiden. Dabei verbrauchte das Polymer-Netzwerk weniger Energie als ein Herzschrittmacher. Die Forschenden sehen zahlreiche Einsatzmöglichkeiten für implantierbare KI-Systeme. So könnten damit beispielsweise Herzrhythmusstörungen oder Komplikationen nach Operationen überwacht werden. Die blitzschnelle Meldung der Werte via Smartphone an Ärzte und Patienten würde schnelle medizinische Hilfe ermöglichen. 

Entwicklungsschub für organische Mischleiter

„Die Vision, moderne Elektronik mit der Biologie zu kombinieren, ist in den letzten Jahren durch die Entwicklung sogenannter organischer Mischleiter ein großes Stück vorangekommen“, sagt Doktorand Matteo Cucchi. Bisher waren die Erfolge jedoch auf einfache elektronische Komponenten wie einzelne Synapsen oder Sensoren beschränkt. Das Lösen komplexer Aufgaben war nicht möglich. Mit ihrer Arbeit ist den Wissenschaftlern nun ein entscheidender Schritt zur Verwirklichung dieser Vision gelungen. Damit soll es möglich werden, in Zukunft weitere intelligente Systeme zu entwickeln, die helfen können, Menschenleben zu retten. Ihre Forschungsergebnisse haben die Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.