Das Evangelische Diakonissenkrankenhaus in Leipzig verwendet auf seiner Interdisziplinären Intensivstation bereits seit zehn Jahren ein volldigitales Patientendaten-Managementsystem. Jetzt wurde es um ein integriertes Anästhesie-Informations- und -Managementsystem (AIMS) erweitert. Ein lohnender Schritt, wie unser Gastautor schildert.
Gastbeitrag von Alexander Friebel, Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig gGmbH (Unternehmenskommunikation, alexander.friebel@ediacon.de)
Bereits seit zehn Jahren setzt das Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig (DKL) ein volldigitales Patientendaten-Managementsystem auf seiner Interdisziplinären Intensivstation ein. Im letzten Jahr wurde es um ein integriertes Anästhesie-Informations- und -Managementsystem (AIMS) erweitert. Damit lässt sich der perioperative Prozess jetzt komplett papierlos abbilden: Von der Anästhesieaufklärung über die Narkosedokumentation und die Gerätedatenarchivierung bis zur postoperativen Phase mit Übergang auf die Normal- oder Intensivstation sind alle Informationen im Krankenhausinformationssystem (KIS) integriert. Das Fazit ist rundum positiv: Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte werden entlastet und können die gewonnene Zeit mit ihren Patienten verbringen.
Das Leipziger Diakonissenkrankenhaus verfügt über 250 Betten und gehört zu Agaplesion Mitteldeutschland; ebenso wie die Zeisigwaldkliniken Bethanien Chemnitz, das Krankenhaus Bethanien Plauen sowie das Fachkrankenhaus Bethanien Hochweitzschen – Zentrum für Psychosoziale Medizin. Um die Patientenversorgung in der Region trotz knapper Ressourcen zu optimieren, wird hier auf die digitale Transformation gesetzt. Dabei hilft das 2020 in Kraft getretene Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG): Mit einem Gesamtvolumen von 4,3 Milliarden Euro fördern Bund und Länder bundesweit Projekte über den Krankenhausstrukturfond. Im mitteldeutschen Verbund von Agaplesion war das KHZG der Auslöser, den bisherigen Digitalisierungsstatus kritisch zu hinterfragen, bestehende Projekte zu forcieren und neue zu initiieren. Im Fokus stehen dabei vor allem Verbesserungen sowohl bei der Patientenpartizipation und der medienbruchfreien klinischen Leistungserfassung und Dokumentation sowie der IT-Sicherheit.
Erweitertes PDMS erhöht die Patientensicherheit
Die Vorteile der elektronischen Systeme gegenüber Papierakten liegen auf der Hand: So sind die zugangsgeschützten Patientendaten von überall aus griffbereit, immer auf dem neuesten Stand und können innerhalb von verschiedenen Systemen ausgetauscht werden. Auch lassen sich Qualitätsmanagement, Statistik und Informationsweitergabe vereinfachen. Zudem kann dadurch die Medikationssicherheit für Patienten standardisiert und es können die durch die Krankenhausapotheke betreuten Medikamentenbibliotheken erheblich verbessert werden. Digitale Anordnungen, Therapieverläufe und Dokumentationen sind zudem sicher lesbar – im Gegensatz zu mancher Handschrift. Ein Interaktions- und Allergiecheck mit entsprechenden Warnungen kann Fehlbehandlungen verhindern.
Zur Verbesserung der Patientensicherheit setzt das Krankenhaus zudem künstliche Intelligenz (KI) ein. Die Entscheidungsunterstützungssysteme basieren auf hinterlegten Regeln oder KI, die Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegenden geeignete leitliniengerechte Behandlungsoptionen vorschlagen bzw. anhand von Echtzeitdaten sich verschlechternde Zustände und Verläufe signalisieren können.
Behandlungsverlauf wird transparenter
Eine integrierte Anästhesiedokumentation macht den Behandlungsverlauf außerdem transparenter, einfacher und sicherer. Diagnosen können aus vorherigen Behandlungen geladen werden, Vitalwerte und Daten von Narkose- und Beatmungsgeräten automatisch abgelegt und Patienten ohne Informationsverlust auf die Intensivstation verlegt werden.
Dr. Alexander Rothe, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensiv- und Schmerztherapie ist daher vom hohen Nutzen des digitalen Umstiegs überzeugt: „Gerade angesichts des Personalmangels im Gesundheitswesen und der eng getakteten Zeitpläne sind solche Unterstützungen essenziell. Sie verbessern die Sicherheit für unsere Patienten und entlasten zudem die Behandlungsteams.“
Der Umstieg ist aufwendig
In Sachen Digitalisierung übernimmt das Ev. Diakonissenkrankenhaus Leipzig eine Vorreiterrolle, da nur wenige Krankenhäuser bislang solche Systeme einsetzen. Den Grund sieht Dr. Rothe im hohen Aufwand, der initial zu erbringen ist: „Vor dem Umstieg müssen zunächst alle bisherigen analogen Prozesse erfasst, systematisiert und auf ihre digitale Abbildung geprüft werden. Ein Beispiel ist die Patientenaufnahme. Hier werden zahlreiche Daten erfasst, etwa zur Herkunft der Patientin oder des Patienten. Hierbei spielen zahlreiche Aspekte und Überlegungen eine wichtige Rolle, ob etwa ob die entsprechenden Daten bereits im KIS oder in Papierform vorliegen und auf welche Weise sie sich am besten digital einbinden lassen. Und es stellen sich im Detail viele weitere Fragen: Wo findet die Prämedikation statt, wann sind Visiten, Laboruntersuchungen oder physiotherapeutische Behandlungen terminiert? Wie kommt die Vormedikation in das System, wie das radiologische Bildmaterial? Wer verwaltet den Medikamentenschrank auf der Station, wie werden Untersuchungen angefordert?“
Durch eine durchdachte Digitalisierungsstrategie kann der komplette Tagesablauf einer Station beziehungsweise eines operativen Zentrums abgebildet werden. Im Leipziger Diakonissenkrankenhaus hat ein rund zehnköpfiges interdisziplinäres Team aus IT-Spezialisten, Medizintechnikern, Ärzten und Pflegenden in enger Zusammenarbeit ein Pflichtenheft erarbeitet, Anforderungen festgelegt und Schnittstellen definiert.
Hoher Aufwand zu Projektbeginn hat sich gelohnt
Der hohe Aufwand zu Projektbeginn hat sich für das Krankenhaus in jeder Hinsicht gelohnt: Die leichtere Verfügbarkeit der benötigten Informationen geht einher mit einer deutlichen Zeitersparnis für Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte. Und da alle Abläufe detailliert überprüft und hinterfragt wurden, ergaben sich auch im analogen Leben einige Optimierungen und Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung.
Im nächsten Schritt ist eine Optimierung der Schnittstellen geplant, um den Austausch von Röntgenbildern, Medikamenten und Anordnungen zu gewährleisten. Dafür sind einheitliche und verbindliche Standards in der Datenübertragung erforderlich.
„Die fortschreitende Digitalisierung bringt enorme Vorteile für unsere Patienten und Mitarbeitenden“, so das Fazit von Anästhesie-Chefarzt Dr. Alexander Rothe. „Denn die leichtere Verfügbarkeit der für die Behandlung erforderlichen Informationen geht mit einer deutlichen Zeitersparnis für Pflegekräfte sowie Ärztinnen und Ärzte einher. Jede Minute, die wir durch digitale Werkzeuge gewinnen, können wir mehr für die uns anvertrauten Patientinnen und Patienten da sein.“