FMD verändert die Arzneimittel-Lieferkette

Sébastien Sliski von Zetes
Sébastien Sliski ist General Manager Supply Chain Solutions bei Zetes (Foto: Zetes)

Bereits seit Februar 2019 gilt die Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel FMD. Für viele betroffene Organisationen bedeutet deren Einhaltung, dass Prozesse komplett umgestaltet werden müssen. Gerade in Krankenhausapotheken kann hier das Fehlen eines effizienten Workflows nachteilige Folgen haben.

Sébastien Sliski, General Manager Supply Chain Solutions des Technologieunternehmens Zetes, beschreibt, wie Krankenhausapotheken – und der Arzneimittelgroßhandel, der die Medikamente liefert – durch digitalisierte Bestandsverwaltungsprozesse wie Datenkumulierung und Konsolidierung nicht nur ihre Pflichten im Rahmen der Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel (Falsified Medicines Directive, FMD) möglichst effizient erfüllen, sondern darüber hinaus höhere Produktivitätssteigerungen erzielen können. Die FMD sollte nach Einschätzung von Sliski nicht nur vom Compliance-Standpunkt aus betrachtet werden, sondern auch als Chance zum Umdenken in der gesamten Arzneimittel-Lieferkette. 

Gastbeitrag von Sébastien Sliski

Einstieg in die FMD

Die Einhaltung der Fälschungsschutzrichtlinie für Arzneimittel (FMD) ist für alle Krankenhausapotheken in Europa verpflichtend. Viele Krankenhäuser, Apotheken und Großhändler in ganz Europa erfüllen die Richtlinie jedoch immer noch nicht. Obwohl etliche Länder nach Ablauf der Frist Übergangsregelungen eingeführt haben, um die Umstellung zu erleichtern und Arzneimittelknappheit vorzubeugen, nähern sich diese bald dem Ende. Die meisten Länder rechnen damit, dass die FMD bis Februar 2020 vollständig umgesetzt sein wird.

Die wichtigste Vorschrift der FMD betrifft die Überprüfung und Dekommissionierung von Arzneimitteln vor der Ausgabe an die Patienten – auch in Krankenhäusern. Hinzu kommt die risikobasierte Überprüfung und Rückverfolgbarkeit der Arzneimittel im Großhandel. 

Krankenhausapotheken müssen vor der Ausgabe den Manipulationsschutz (Schutzsiegel) auf Unversehrtheit überprüfen und den Status der Packung im nationalen Hub zur Arzneimittelüberprüfung (National Verification System, NMVS) von „aktiv“ zu „inaktiv/ausgegeben“ ändern. Dabei muss der 2D-Barcode auf jeder Packung gescannt werden, um die eindeutige Produktkennung zu überprüfen und an das NMVS zu übermitteln. Dieser 2D-Barcode wird vom Hersteller auf der Packung angebracht. 

Das überprüfte Medikament kann dann dekommissioniert (d. h. aus dem Lagerbestand ausgebucht) werden. Im Gegensatz zu gewerblichen Apotheken, in denen Medikamente direkt bei Ausgabe an den Patienten dekommissioniert werden müssen, können Krankenhausapotheken Medikamente jederzeit nach der Überprüfung dekommissionieren.

Angesichts der Auswirkungen des Ausgabeprozesses in der Apotheke auf die Gesamteffizienz im Krankenhaus und der wachsenden Anzahl hochkomplexer Nischenprodukte, die die Einhaltung spezieller Verteilungs- und Ausgabemodelle erfordern, ist dieser Prozess von entscheidender Bedeutung. Krankenhausapotheken müssen in der Lage sein, den Überprüfungs- und Dekommissionierungsprozess so reibungslos wie möglich durchzuführen, da das Scannen von Medikamenten auf Einzelverpackungsebene zu Verzögerungen im Ausgabe- und Entlassungsprozess von Patienten führen würde.

Aggregation und Konsolidierung

Die gute Nachricht ist, dass diese manuellen Prozesse nun weitgehend vereinfacht werden können. Mittlerweile ist eine Technologie erhältlich, die die digitalen Daten der einzelnen Barcodeetiketten von den Medikamentenpackungen konsolidiert, damit die Krankenhausapotheke mit einem einzigen Scan eine gesamte Warensendung auf einmal dekommissionieren kann. 

Das ergibt erhebliche Zeit- und Effizienzeinsparungen. Vorteile von denen  jedoch die gesamte Lieferkette vom Hersteller über den Großhandel bis zum Logistikdienstleister profitiert. Der Prozess besteht aus vier Schritten:

1. Schritt: Aggregieren

Einzelne Artikel werden entweder beim Hersteller oder im Lager des Großhändlers gescannt und in Kartons und/oder auf Paletten zusammengepackt und aggregiert. Der Großhändler kann dadurch Sendungen im Voraus vorbereiten und schneller abfertigen und somit die Lieferzeiten beim Abruf verkürzen. Die Krankenhausapotheke kann selbst entscheiden, ob die Produkte einzeln oder gesammelt dekommissioniert werden sollen.

2. Schritt: Konsolidieren

Die aggregierten Einheiten werden unter einer einzigen, eindeutigen Auftragsnummer zusammengefasst. Dies kann in jeder Phase des Lagerprozesses erfolgen.

3. Schritt: Kommunizieren

Aggregierte Einheiten tragen ein Barcode-Etikett mit der eindeutigen Auftragsnummer. Der Versandprozess wird ebenfalls durch eine eindeutige Nummer gekennzeichnet, die physisch auf der Transportdokumentation angebracht werden kann. Parallel dazu wird eine digitale Datei mit dieser eindeutigen Kennungen im Zuge des Versands an das Krankenhaus übermittelt.

4. Schritt: Stichprobenkontrolle und Dekommissionierung

Nach Erhalt der Sendung kann das Krankenhaus anhand der Barcode-Nummern und der digitalen Datei stichprobenartige Überprüfungen durchführen und die Produkte auf der angegebenen Ebene automatisch dekommissionieren.

Durch die Aggregation und Konsolidierung werden nicht nur die Regulierungsvorschriften der FMD maximal effizient erfüllt, sondern es eröffnen sich auch Möglichkeiten, um weitere Verbesserungen in den Arbeitsabläufen der Apotheke zu identifizieren und den Ausgabeprozess für die Arzneimittel bei der Entlassung von Patienten weiter zu optimieren. Darüber hinaus erhält die gesamte Branche die Chance, über institutionelle und organisatorische Grenzen hinweg zu denken und Transparenz in der gesamten Arzneimittel-Lieferkette zu schaffen.

Fazit

Zügige Abläufe bei der Entlassung von Patienten, indem diese rechtzeitig ihre verschriebenen Medikamente ausgehändigt bekommen, ist eine der wesentlichen Aufgaben der Krankenhausapotheke. Doch die FMD bietet zusätzliche Chancen. Geeignete digitale Lösungen können dabei helfen, die Transparenz in der Supply Chain zu unterstützen. So erhalten die Patienten überall Zugang zu einwandfreien Medikamenten und sind vor gefälschten Produkten geschützt.

Zetes ist ein Tochterunternehmen der Panasonic Corporation und hat seinen Hauptsitz in Brüssel. Der Technologieanbieter beschäftigt über 1.300 Mitarbeiter in 22 Ländern und erwirtschaftete im Jahr 2018 einen Jahresumsatz von 286,2 Millionen Euro.