AWMF: Gesetzentwurf zur Medizinprodukte-Bewertung fehlerhaft

Eine Bewertung von Medizinprodukten ist in Deutschland aufgrund handwerklicher Fehler im Gesetzentwurf kaum möglich. So lautet das Fazit eines Treffens der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Berlin. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) weist in diesem Zusammenhang auch auf die anwachsende Bürokratie seitens der entscheidenden Institutionen und das beträchtliche, ehrenamtliche Engagement der Fachgesellschaften hin. Diese Arbeit müsse durch EU-Regularien und vermehrte Prüfungen von Medizinprodukten noch weiter wachsen, betont die AWMF.

Die Zahl der Verfahren zur frühen Prüfung des Nutzens von Arzneimitteln in Deutschland steigt: Im Jahr 2015 prüfte das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) 55 Anträge von Herstellern. Bis Ende Juni 2016 waren bereits 35 in Arbeit. Da frühe Nutzenbewertung wissenschaftlich begründet sein muss und die Versorgung von Patienten beeinflusst, begleiten Fachgesellschaften die Verfahren. Der Aufwand ist erheblich. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das IQWIG, ebenso wie das Institut für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen (IQTIG) oder Kommissionen des Robert Koch Instituts (RKI) wandten sich in 2015 mehr als 100 mal an die AWMF und ihre Mitgliedsfachgesellschaften – Tendenz steigend.

Medizinprodukte nicht mit Arzneimitteln vergleichbar

Doch nicht nur die Verfahren zur Arzneimittelmarktneuordnung (AMNOG) spielen eine wachsende Rolle. Auch die Prüfung von Medizinprodukten nimmt Fahrt auf. Hier sind jedoch die Kriterien noch unklar: Der G-BA fordert vergleichende klinische Studien (RCT). Diese scheinen aber nicht immer der geeignete Weg, um einen Nutzen oder ein Potenzial anzuzeigen: „Ob neue Medizinprodukte sicher und wirksam sind, lässt sich in der Chirurgie oft nur anhand von Daten prüfen, die wir kontinuierlich in Registern sammeln. Das gilt vor allem für langfristige Beobachtung und sogenannte Sprunginnovationen, zu denen es kein Vergleichsprodukt gibt“, erläutert Professor Dr. med. Ernst Klar von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie aus Rostock. Darauf deute auch die EU-Direktive zu Medizinprodukten hin. Diese spricht sich eher für weiche Empfehlungen für Medizinproduktetests aus, anders als die harten Vorgaben für Arzneimittel. Hinzu kommt, dass der G-BA Studien fordert, obwohl das Medizinprodukt in Krankenhäusern bereits verfügbar ist. Die Erprobungsregelung des G-BA nach Paragraf 137e SGB V bleibt damit bislang folgenlos. Hier bedarf es dringend gesetzlicher Nachbesserungen.

Bisher keine einzige Studie

Die Bilanz bei der Potenzialbewertung nicht-medikamentöser Verfahren fällt bescheiden aus: Seit 2013 fasste der G-BA elf Beschlüsse zu sechs Erprobungsanträgen. Bisher brachte kein einziger Hersteller eine Studie auf den Weg, um den Nutzen zu belegen. Mehrere Verfahren wurden ausgesetzt oder eingestellt. Damit zeigt sich, dass für die Firmen die Kosten zu hoch oder die Gewinnaussichten zu gering sind, meint der AWMF. „Damit erweist sich das Verfahren in großen Teilen als nicht praktikabel und wenig aussichtsreich, sinnstiftende Ergebnisse für die medizinische Wissenschaft zu liefern“, erklärt Dr. med. Monika Nothacker, Referentin des AWMF-Präsidiums aus Berlin. Die AMWF selbst richtet jährlich Workshops für ihre Mitgliedsfachgesellschaften aus, um den Stellungnahmeprozess kontinuierlich zu verbessern.

Info
Die 1962 gegründete Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V. handelt im Auftrag ihrer 174 medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Ziel ist es, gemeinsame Interessen stärker gegenüber dem Staat und der ärztlichen Selbstverwaltung zu positionieren. Jede gemeinnützige Fachgesellschaft in Deutschland kann Mitglied werden, sofern sie sich wissenschaftlichen Fragen der Medizin widmet.