Ärger über Patientendaten-Schutzgesetz

bvitg-Geschäftsführer Sebastian Zilch
bvitg-Geschäftsführer Sebastian Zilch: „Die Politik arbeitet gegen Innovationen im Gesundheitswesen, indem Organe der Selbstverwaltung zunehmend Kompetenzen bei der Entwicklung digitaler Angebote erhalten.“ (Foto: bvitg)

Die Verabschiedung des Patientendaten-Schutzgesetzes (PDSG) im Bundestag stößt im Bereich der Gesundheits-IT auf massive Kritik. Kurzfristig eingebrachte Änderungen sind der Grund für das negative Echo.

Ein mittelständischer Software-Anbieter warnt vor der schleichenden Verstaatlichung der Gesundheits-IT. Der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e.V. spricht von einem herben Schlag für den Innovationsstandort Deutschland. Doch wie kommt es zu dieser Kritik? Mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetzes (PDSG) im Bundestag macht der Gesetzgeber in erster Linie den Weg frei für die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ab 2021.

Die Ablehnung beruht auf kurzfristigen Änderungen im neuen Schutzgesetz. Demnach dürfen nur noch die gesetzlichen und privaten Krankenkassen eine durch die Gematik zertifizierte Patientenakte anbieten. Und die Kassenärztliche Bundesvereinigung mutiert quasi über Nacht zum Softwareanbieter: Die Körperschaft des öffentlichen Rechts darf die ihr vorliegenden versichertenbezogenen Daten für die Entwicklung eigener IT-Lösungen deutlich umfangreicher als bisher auswerten und die Ergebnisse nutzen, um eigene Softwarelösungen im Wettbewerb zu Angeboten des Marktes zu entwickeln und anzubieten.

Eingriff in den Software-Markt

„Die Möglichkeiten für einen massiven Eingriff in den Software-Markt, die die KBV damit erhält, sind zutiefst beunruhigend. Sie verschaffen der KBV signifikante Wettbewerbsvorteile bei der Entwicklung und dem Vertrieb eigener Lösungen. Dies wird zu starken Wettbewerbsverzerrungen führen“, warnt Jens Naumann, Geschäftsführer des Praxissoftware-Anbieters Medatixx.

Konflikte drohen zudem, weil die KBV nach Inkrafttreten des PDSG aufgrund ihres gesetzlichen Auftrages genau solche Produkte der Industrie zertifizieren muss, zu denen sie mit eigenen Angeboten im Wettbewerb steht. „Die Intention des Gesetzgebers für diese Regelung zur Übergabe der Verantwortung von Produktentwicklungen an eine Körperschaft erschließt sich nicht. Nur im freien Wettbewerb des Marktes entstehen die besten Angebote mit der größten Wirtschaftlichkeit“, ärgert sich Naumann.

Das Ziel, mit dem Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG) den Weg frei für die Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) ab 2021 zu machen, würdigt der Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e.V. Doch auch der in Berlin ansässige Verband warnt vor stark wettbewerbs- und innovationsfeindlichen Ergänzungen auf den letzten Metern.

Einschränkungen im ePA-Markt

Durch Änderungen am Gesetzesentwurf wird klargestellt, dass nur noch die gesetzlichen und privaten Krankenkassen eine durch die Gematik zertifizierte Akte anbieten dürfen. „Das ist eine bewusste Entscheidung gegen den Wettbewerb“, erklärt bvitg-Geschäftsführer Sebastian Zilch. „Diesen Schritt damit zu begründen, dass nur Krankenkassen und staatliche Institutionen den Datenschutz einer ePA gewährleisten können, ist nicht haltbar. Würde ein Anbieter die vorgeschriebene Gematik-Zertifizierung erfolgreich durchlaufen, hätte er die Gewährleistung einheitlicher Sicherheits- und Datenschutzstandards glaubhaft vermittelt.“

Der bvitg fordert deshalb eine Öffnung des Marktes für Drittanbieter, die nach der Einführung der ePA, spätestens aber ab Januar 2022 erfolgt. So würde aus Sicht des Verbands zumindest perspektivisch die Wahlfreiheit für Patienten gestärkt. In diesem Zuge sollten auch forschende Industrieunternehmen Zugang zum Forschungsdatenzentrum erhalten, da diese für rund drei Viertel aller Forschungsvorhaben verantwortlich sind.

Wettbewerbsverzerrung durch Selbstverwaltungsorgane

Auch der bvitg kritisiert darüber hinaus die kurzfristig eingebrachte Erlaubnis für die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung, direkt digitale Innovationen fördern zu können: „Körperschaften des Öffentlichen Rechts können damit selbst Produkte anbieten, was zu Verzerrungen des Marktes führt. Unter anderem, weil die entwickelten Produkte ein Quasi-Qualitätssiegel erhalten, selbst wenn sie einer Marktlösung nicht überlegen sind“, meint Zilch. 

„Das Ganze geht aus unserer Sicht weit über den Sicherstellungsauftrag hinaus, hinzu kommt die Tatsache, dass auf diese Weise Ärztegelder für die Entwicklung digitaler Angebote entfremdet werden. Faktisch arbeitet die Politik gegen Innovationen im Gesundheitswesen, indem Organe der Selbstverwaltung zunehmend Kompetenzen bei der Entwicklung digitaler Angebote erhalten.“