Wer finanziert den Telemedizin-Ausbau?

Der diesjährige Fachkongress „eHealth.NRW“ des ZTG Zentrum für Telematik und Telemedizin stand im Zeichen des Digitale Versorgung-Gesetzes (DVG), das auch neue Finanzierungswege für die Telemedizin frei machen soll. Aber sind Ärzte und Krankenhäuser überhaupt fit für die breite, digitale Versorgung? 

An welchen Stellen muss noch investiert werden, damit digitale Anwendungen nahtlos in den Versorgungsprozess eingefügt werden können? Wer muss diese Investitionen tätigen? Und in welcher Form kann eine Vergütung erfolgen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine Diskussionsrunde mit Vertretern aus Selbstverwaltung, Verbänden und Krankenkassen. 

Kontroverse Sichtweisen

Die Kongress-Referenten vertraten hier teils kontroverse Standpunkte. Bernd Altpeter, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Telemedizin und Gesundheitsförderung, warnte vor einer reinen Kosten-Diskussion: „Der Gedanke, Digitalisierung führe zu einer Kostenexplosion im System ist ein falscher Ansatz. Wir sollten aufhören, nur auf Anreizsysteme zu schauen und darauf zu warten, bis uns der Gesetzgeber oder die Kassen finanziell unterstützen.” Die Medizinerin Dr. Christiane Groß von der Ärztekammer Nordrhein und Vorsitzende des Ärztlichen Beirats Telematik NRW, gab indes zu bedenken: „Organisatorisch sind die meisten beim Thema Digitalisierung auf die Mithilfe professioneller IT-Fachleute angewiesen. Eine Praxis kann nicht einfach an die TI angeschlossen werden, daher braucht die Ärzteschaft verlässliche IT-Beauftragte. Insgesamt kann man davon ausgehen, dass durch die Digitalisierung im Gesundheitswesen ein großer zusätzlicher Beratungs- und damit Zeitaufwand in den ärztlichen Praxen notwendig wird.”

Krankenkassen im Fokus

Dr. Gerhard Nordmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, adressierte die Krankenkassen und forderte hier einen Austausch: „Die Kassen sind in jedem Fall in Sachen Finanzierung im Fokus. Wir müssen über eine gemeinsame Lösung sprechen und in alle Richtungen offenbleiben, nur so erreichen wir etwas.” Kassenverteteter selbst nahmen auf dem „eHealth.NRW“-Kongress natürlich auch Stellung: „Das DVG ist ein Novum. Eine Krankenkasse bekommt die Möglichkeit, zwei Prozent ihrer Finanzreserven in digitale Anwendungen zu investieren. Was jedoch letztlich dann am Markt passiert, entscheidet jede Krankenkasse nach unternehmerischen Gesichtspunkten,” sagte Dirk Ruiss, Leiter der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen des Verbands der Ersatzkassen e. V. (vdek).

Barbara Steffens, Leiterin der TK-Landesvertretung Nordrhein-Westfalen, wies auf folgende Problematik hin: „Der Innovationsfonds bietet die Basis für Projekte. Doch zur Regelversorgung fehlt letztlich die Finanzierung nach der Evaluation. Auch die Evaluationsphase benötigt mehr Geld. Für die Krankenkassen gibt es keine speziellen Verträge für Innovationsfondsprojekte. Wir brauchen statt des Innovationsfonds lieber ein kassenspezifisches Innovationsbudget dafür. Das DVG bietet hier Ansätze, jedoch noch keine Lösung.“

Beispiele für Telemedizin-Einsatz

Wo Telemedizin erfolgreich funktioniert, wurde von verschiedenen Teilnehmern aufgezeigt. So stellte die Ärztin Dr. Anja Sobota vom Universitätsklinikum Münster das Projekt „oVID“ vor. Es strebt eine Vernetzung zwischen Ärzten verschiedener Fachdisziplinen, deren Patienten und weiteren Berufsgruppen per Video (Televisiten und Telekonsile) an. Einbezogen sind die Fachbereiche Geburtshilfe, Unfallchirurgie und Palliativmedizin. Unter dem Motto „Datenreise statt Patientenreise“ demonstrierte Dr. Hans-Jürgen Beckmann vom Ärztenetz MuM Medizin und Mehr eG aus Bünde eine Live-Videosprechstunde zu einem Pflegeheim. Die CGM-elVi wird aktuell in zahlreichen Projekten eingesetzt und von den meisten Krankenkassen finanziert.

Erfolgreiches Telenotarzt-Projekt

Der Telenotarzt ermöglicht es ausgebildeten Notärzten, sich per Video in die Rettungswagen am Einsatzort zuzuschalten. Dabei fungiert der Telenotarzt als Ergänzung des bereits bestehenden fahrenden und fliegenden Rettungsdiensts. Die Medizinerin Dr. Marie-Thérèse Mennig präsentierte beeindruckende Zahlen: Mittlerweile haben im Raum Aachen über 15.000 Patienten schnellere und leitliniengerechte medizinische Versorgung durch einen Telenotarzt erhalten. Der Telenotarzt kann ca. 2,5-mal mehr Einsätze pro Jahr begleiten als ein fahrender Notarzt. Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, plant den landesweiten Einsatz des Telenotarztes.

Abschließend verdeutlichte der Arzt Dr. Thomas Aßmann von der TAG TeleArzt GmbH die Vorteile der telemedizinischen Delegation. Seine Versorgungsplattform umfasst derzeit etwa die telemedizinische Erfassung von Vitaldaten (einschließlich EKG) und Medikation sowie die Übertragung von Fotos vom häuslichen Umfeld des Patienten direkt in die Arztsysteme. Weiterer Bestandteil ist eine assistierte Videotelefonie. In 11 KV-Bezirken wird diese Versorgungsform bereits über verschiedene Finanzierungsmodelle erstattet.

Zwanzigjähriges Engagement

Der Fachkongress in Neuss schloss mit der Feier zum 20-jährigen Bestehen der ZTG GmbH. Anlässlich der Medica im Jahr 1999 auf Initiative der Landesregierung Nordrhein-Westfalen von Unternehmen und Organisationen des Gesundheitswesens gegründet, engagiert sich die ZTG GmbH seitdem für die Digitalisierung des Gesundheitswesens.