Smartphone als Therapiehilfe bei Bipolarer Störung

Ein episodischer Wechsel zwischen depressiven Phasen, ausgeglichenem Befinden und manischen Episoden ist gehört zum typischen Krankheitsbild von Patienten, die unter einer Bipolaren Störung leiden. Eine App soll künftig dabei helfen, dass Ärzte künftig erste Anzeichen frühzeitig erkennen und diesen präventiv begegnen können.

Den Einsatz der Smartphone-App erproben Mediziner der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden seit Januar 2017 im Rahmen einer Studie. Dazu wird die Monitoring-App „MovisensXS“ auf den Smartphones der Patienten installiert, um Nutzungsdaten des Telefons wie etwa die Anzahl der getätigten Anrufe, verschickten Nachrichten oder der getätigten Schritte an die Ärzte zu übermitteln. Wenn die Smartphone-Nutzung das für den Patienten gewöhnliche Maß über- oder unterschreitet, gilt das als Alarmzeichen dafür, dass möglicherweise eine manische beziehungsweise depressive Phase bevorsteht. Der behandelnde Arzt wird bei auffälligen Werten automatisch informiert und kann Kontakt zu seinem Patienten aufnehmen. Dadurch soll das Smartphone für die Patienten so zu einem zusätzlichen Schutzfaktor werden.

„Bisher wissen wir nicht genau, wie eine Bipolare Störung entsteht“, sagt Privatdozent Dr. Emanuel Severus, Leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiter der Studie. „Fest steht jedoch, dass sich bei der Bipolaren Störung die Botenstoffe des Gehirns im Ungleichgewicht befinden. Außerdem gibt es genetische Prädispositionen, die die Wahrscheinlichkeit zu erkranken begünstigen,“ erläutert der Studienleiter.

Das Smartphone als Frühwarneinrichtung

Patienten erkranken in der Regel erstmalig zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. „Neben medikamentöser Therapie und einer fortlaufenden ambulanten Psychotherapie ist es für die Betroffenen wichtig, die eigenen Stressoren zu kennen, die die Entwicklung einer Depression beziehungsweise Manie auslösen können. Auf diese Weise können die Patienten über ihr eigenes Verhalten selbst Prophylaxe betreiben“, erklärt PD Dr. Severus. Außerdem sei ein intaktes soziales Umfeld sehr wichtig – nicht zuletzt um Krankheitssymptome der bipolaren Störung frühzeitig zu detektieren.

Neue Episoden schneller erkennen

Um neue Episoden künftig noch frühzeitiger zu erkennen, bieten die Mediziner des Uniklinikums ihren Patienten die Teilnahme an der Studie „Ambulantes Monitoring mittels Smartphone bei Patienten mit einer Bipolaren Störung“ an. Dabei wird auf den Smartphones der Nutzer die App installiert. Danach zeichnet sie fortlaufend die Nutzungsdaten des Studienteilnehmers auf und gleicht diese mit einem im Vorfeld für den Patienten als gewöhnliche Nutzung klassifizierten individuellen Profil ab. Gibt es in mindestens zwei Bereichen Auffälligkeiten – beispielsweise, weil der Patient erheblich mehr Schritte als gewöhnlich macht oder außergewöhnlich viele Nachrichten verschickt – erhält der behandelnde Arzt eine E-Mail, die ihn auf die Auffälligkeit aufmerksam macht.

Für Ausnahmesituationen können Patienten einen sogenannten „Urlaubsmodus“ aktivieren, damit die App in dieser Phase pausiert. „Die App könnte einen Schutzfaktor für unsere Patienten darstellen“, sagt Fabrice Beier, der als Studienarzt die Patienten im Rahmen der Studie betreut. Neben den Terminen in der Klinik könnte nun auch ein durch verändertes Smartphone-Verhalten automatisch generiertes Warnsignal zusätzliche Sicherheit bieten. „Wie zuverlässig sich beginnende depressive oder manische Episoden letztlich ermitteln und abfangen lassen, werden aber erst die Ergebnisse der Studie zeigen“, so Beier.

Studienteilnehmer gesucht

Gemeinsam mit Unikliniken in Berlin, Frankfurt, Bochum, Tübingen und Hamburg-Eppendorf sowie den Ruppiner Kliniken sollen deutschlandweit insgesamt 180 Patienten in die Studie hinsichtlich der Wirksamkeit der Monitoring-App eingeschlossen werden. Die Ergebnisse sollen zeigen, ob das Frühwarnsystem für manische oder depressive Episoden langfristiges Potential für die reguläre Krankenversorgung aufweist. Von den bisher 41 Patienten sind 24 im Uniklinikum Dresden in Behandlung. Interessierte Patienten können an der Studie teilnehmen, es stehen noch 139 Plätze zur Verfügung Die Teilnahme der Patienten ist auf 21 Monate ausgelegt. Die Probanden sollten über 18 Jahre alt sein und mehr als drei Krankheitsepisoden in den vergangenen fünf Jahren erlitten haben – davon mindestens eine manische Episode. Außerdem sollten sie dazu bereit sein ein Smartphone zu nutzen. Für ihre Teilnahme an der Studie erhalten die Probanden eine monatliche Aufwandsentschädigung. Dadurch soll die die Aufstockung des mobilen Datenvolumens auf mindestens 500 MB/Monat abgedeckt werden. Informationen stellt das Uniklinikum Dresden zur Verfügung.