Ingenieurwissenschaftler, Mediziner und Informatiker der Universität des Saarlandes arbeiten im Projekt „Smarte Implantate“ zusammen. Diese Implantate sollen bei Knochenbrüchen die Knochenteile fixieren, die Heilung permanent überwachen und gezielt fördern – etwa mit Mikro-Massagen.
Knochen sind stabil und elastisch zugleich, sie wachsen, sind ständig im Umbau und halten einiges aus. Brechen sie, können sie heilen, sofern die Bruchstücke richtig aneinander liegen. Aber manchmal klappt das nicht wie geplant und der Knochen wächst trotz Operation nicht richtig zusammen. Vor allem bei Unterschenkelfrakturen kommt dies öfter vor – bei etwa vierzehn von hundert Patienten. Weil Ärztinnen und Ärzte nach der Operation nicht ins Bein blicken und dem Knochen beim Heilen zuschauen können, bleibt lange unbemerkt, was sich dort anbahnt. Erst nach Wochen zeigt ein Röntgenbild, ob neues Knochengewebe an der richtigen Stelle macht, was es soll. Tut es das nicht, folgen oftmals Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit und hohe Kosten.
Implantat mit neuen Fähigkeiten
Für einen permanenten Einblick ins Bein soll bald ein neues Implantat sorgen: Es soll den Heilungsverlauf ununterbrochen beobachten, kontrollieren und sogar gezielt aktiv fördern. Hieran arbeitet an der Universität des Saarlandes ein großes Forschungsteam an der Schnittstelle von Medizin, Ingenieurwissenschaft und Informatik. „Wir entwickeln gemeinsam ein smartes Implantat, das ohne zusätzliche Eingriffe oder Apparaturen auskommt. Hierzu verleihen wir dem Implantat, das ohnehin gebraucht wird, um die Knochenstücke zusammenzuhalten, völlig neue Fähigkeiten“, erklärt Professor Stefan Seelecke, der mit seinem Team an der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) forscht.
Das smarte Implantat wird es in sich haben: Sofort, sobald die OP-Wunde vernäht ist, soll die Implantat-Platte selbst unablässig informieren, wie der Bruch heilt. Belasten Patientin oder Patient den Bruch ungünstig, soll sie warnen. Am Frakturspalt, wo die Knochenbruchteile aneinander liegen, soll das Implantat nach Bedarf steif oder weich werden und es soll durch kleine Bewegungen dort eine Mikro-Massage vollführen: Dies fördert die Knochenheilung aktiv durch Wachstumsanreize. All dies soll automatisch ablaufen und von außen via Smartphone steuerbar sein. In das Implantat fließt das Knowhow verschiedenster Fachdisziplinen.
„Intelligenten Muskeln“ aus feinsten Drähten
Eine zentrale Rolle spielen haarfeine Drähte aus Nickel-Titan, auch Formgedächtnisdrähte genannt. Sie sind im Projekt der Part des Teams der Experten für smarte Materialsysteme Stefan Seelecke und Paul Motzki: Die Saarbrücker Ingenieure verleihen dem Implantat damit seine „intelligenten Muskeln“: „Wir nutzen Formgedächtnisdrähte zum einen als Antriebe: Sie sorgen im Implantat dafür, dass diese steif oder weich werden, sich bewegen und Kraft ausüben kann. Zum anderen nutzen wir die Drähte als Sensor, um die Abläufe am Frakturspalt im Auge zu behalten“, erklärt Paul Motzki, der mit „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ eine Brückenprofessur zwischen Universität des Saarlandes und ZeMA innehat. Einen Prototyp der Neuentwicklung werden die Forschenden auf der Hannover Messe vorstellen (22. bis 26. April 2024, Halle 2/Stand B10)).
Die Werner Siemens-Stiftung fördert das Projekt „Smarte Implantate“ mit acht Millionen Euro. Die Gesamtprojektleitung liegt in der Unfallchirurgie am Universitätsklinikum des Saarlandes bei Professor Tim Pohlemann und am Lehrstuhl für Innovative Implantatentwicklung (Frakturheilung) bei Professorin Bergita Ganse.