Smarte Implantate für die individualisierte Therapie

I Implantatelektronik mit integrierter Schnittstelle für die drahtlose Energie- und Datenübertragung mittels Ultraschall. (Foto: © Fraunhofer IBMT)

Ob Herzschrittmacher, Cochlea-Implantate oder Neuroprothesen: Implantate können den Körper aktiv unterstützen. Fraunhofer-Forscher arbeiten daran, dass die Implantate künftig kleiner werden, weniger Energie benötigen und schonender für die Patienten werden. Präsentiert werden die Entwicklungen auf der Compamed/Medica, die vom 15. bis zum 18. November in Düsseldorf stattfindet.

„Aktive Implantate“ unterstützen den Körper aktiv. Bekanntestes Beispiel ist der Herzschrittmacher: Er wird im Brustbereich unter die Haut des Patienten verpflanzt. Von dort gibt er stimulierende Impulse ab, wenn sich der Herzrhythmus zu sehr verlangsamt. Eine Batterie versorgt ihn mit der nötigen Energie. Für neuartige Therapien, bei denen zukünftig kleine Implantate die Tabletteneinnahme zum Teil ersetzen könnten, werden jedoch kleinste und energiesparsame Implantate benötigt. Das Ziel: die maximale Schonung des Patienten und die patientenindividuelle Therapie. Die Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT unterstützen die Hersteller und arbeiten deshalb an der Miniaturisierung, der Energieversorgung von außen und an drahtlos vernetzten Implantaten. 

Neuroprothesen ansteuern

Ein Beispiel sind Handprothesen: Über sie können Menschen, die eine Hand oder einen Arm verloren haben, bereits greifen – also die Hand öffnen und schließen – und die Hand drehen. Künftig sollen deutlich mehr Freiheitsgrade dazukommen. Auch die zurzeit noch notwendigen Elektroden auf der Haut sollen dann nicht mehr erforderlich sein. „Wir haben unter anderem im Projekt ‘Theranostische Implantat’ flexible, implantierbare Mikroelektroden entwickelt“, sagt Roman Ruff, Gruppenleiter am Fraunhofer IBMT.

Damit können die Forschenden Elektroden in den Körper verlagern und die Nutzsignale direkt am Muskel oder am Nerv ableiten. Diese Signale werden dann in die Bewegung der Prothese umgesetzt. „Langfristig könnten Patienten mit solchen Prothesen deutlich näher an das Gefühl kommen, eine natürlich funktionierende Hand zu besitzen – da wesentlich komplexere Bewegungen möglich sind“, so Ruff. Zudem werde über die implantierten Elektroden ein Feedback in das periphere Nervensystem eingeprägt. „Somit werden Wahrnehmungen hervorgerufen, die zum Beispiel die veränderliche Griffkraft repräsentieren. Die Steuerung einer Prothese wird für den Träger wesentlich intuitiver“, erläutert Ruff.

Energie von außen

Aktive Implantate benötigen Energie. Über Induktion lässt sich diese Energie von außen zuführen. Allerdings sind der Eindringtiefe in den Körper bislang Grenzen gesetzt. So verschlechtert sich der Wirkungsgrad für tief liegende Implantate signifikant. „Wir konnten die Eindringtiefe um einen Faktor zwei bis drei erhöhen, indem wir die Energie via Ultraschall in den Körper übertragen“, sagt Andreas Schneider-Ickert, Projektleiter und Innovationsmanager am Fraunhofer IBMT. Auf diese Weise lassen sich auch Implantate versorgen, die etwa in Titan gekapselt sind und die sich über Induktion nicht versorgen lassen. Darüber hinaus hat die Energieversorgung und Kommunikation per Ultraschall auch in Bezug auf die Sicherheit Vorteile. Denn während sich induktive oder funkbasierte Schnittstellen hacken lassen, ist das bei Ultraschall nur schwer möglich.

Simulation und Vernetzung

Im vor Kurzem gestarteten Projekt „SOMA“ arbeiten die Forschenden des Fraunhofer IBMT gemeinsam mit sieben Partnern aus fünf europäischen Ländern daran, per Ultraschall auch Nerven zu stimulieren. „Könnten wir das periphere Nervensystem aus größerer Distanz zum Nerv über Ultraschall stimulieren, würde der Einsatz der Implantate für den Patienten noch schonender«, so Schneider-Ickert.

Ein weiterer Zukunftstrend im Bereich der aktiven Implantate liegt darin, statt eines Zentralimplantats auf vernetzte Systeme aus mehreren stark miniaturisierten Implantaten zu setzen, die sich untereinander abstimmen. Daran arbeitet das Wissenschaftlerteam des Fraunhofer IBMT im BMBF-geförderten Innovationscluster INTAKT (INTerAKTive Mikroimplantate) gemeinsam mit 16 Partnern. Derartig vernetzte Systeme bieten eine höhere Biostabilität. „Die Sensoren und Aktoren können direkt in das Gehäuse integriert werden, auf empfindliche Kabelverbindungen kann man daher verzichten“, sagt Ruff. Und sollte doch einmal ein Implantat ausfallen, so lassen sich diese Implantate wesentlich leichter ersetzen.