Schub für digitale Gesundheitsangebote

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder: „Nach 20 Jahren gesundheitspolitischer Lethargie kommt jetzt Schwung in digitale Gesundheitsangebote.“ (Foto: Bitkom)

Digitale Gesundheitsangebote werden von Deutschlands Patienten immer öfter genutzt. Vor allem in den vergangenen Wochen während der Corona-Pandemie hat sich viel getan. Gleichzeitig fürchten die Menschen, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems hinterherhinkt und wünschen sich mehr Tempo in diesem Bereich.

Das zeigen die Ergebnisse von zwei repräsentativen Befragungen des Digitalverbands Bitkom. Demnach hat aktuell jeder Achte (13 Prozent) bereits eine Video-Sprechstunde mit einem Arzt oder Therapeuten genutzt. Von denjenigen, die bislang noch keine Video-Sprechstunde wahrgenommen haben, kann sich fast jeder Zweite (45 Prozent) vorstellen, das künftig zu tun. Wer einmal in der Videosprechstunde war, will wieder hin: Zwölf Prozent wollen die Videosprechstunde weiterhin nutzen, nur ein Prozent will davon absehen. Wenn eine Video-Sprechstunde in Anspruch genommen wird, dann fast ausschließlich beim eigenen, bereits bekannten Arzt (97 Prozent). Der Online-Arztbesuch wurde von den Teilnehmern dabei grundsätzlich positiv erlebt: 87 Prozent beurteilen ihre Erfahrung als gut oder sehr gut.

Corona-Pandemie als Digitalisierungs-Treiber

Für viele Patienten war das Corona-Virus Ausschlag gebend, um eine Video-Sprechstunde zu nutzen: So sorgen sich 85 Prozent vor einer Infektion mit Covid-19 in der Arztpraxis. 41 Prozent haben Angst, sich im Wartezimmer mit einer anderen Krankheit anzustecken. Mehr als jeder Zweite (54 Prozent) gibt als Grund an, möglichst schnell einen ärztlichen Rat erhalten zu wollen. Weitere Gründe sind die Vermeidung von Wartezeit (38 Prozent), Bequemlichkeit (35 Prozent) und bei jedem Vierten (26 Prozent) Neugier. 

Auch bei jenen, die bislang nur persönlich in der Praxis vorstellig wurden, herrscht eine große Offenheit für digitale Angebote: Fast jeder Zweite (45 Prozent) kann sich vorstellen, künftig eine Video-Sprechstunde wahrzunehmen. 38 Prozent schließen dies jedoch für sich aus. In dieser Gruppe bevorzugt die Mehrheit ein persönliches Gespräch (84 Prozent) oder hat Sorge vor einer Fehldiagnose (75 Prozent), wenn man sich nur online trifft. Jeder Fünfte unter denjenigen, die eine Video-Sprechstunde ablehnen (21 Prozent), verfügt nicht über die notwendigen technischen Voraussetzungen für die Nutzung eines solchen Angebots.

Apps auf Rezept kommen an

Ob Diabetes-Tagesbuch, Rückenübungen für zuhause oder Augentraining: Die Patienten in Deutschland zeigen sich offen für vom Arzt verschriebene Gesundheits-Apps. 59 Prozent können sich gut vorstellen, eine solche App zu nutzen. Selbst von den über 65-Jährigen sagt das fast jeder Zweite (48 Prozent). 40 Prozent wollen ihren Arzt sogar aktiv nach einer App auf Rezept fragen. Ab dem Sommer 2020 an werden die ersten Apps dieser Art in Deutschland verfügbar sein und von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen.

Grafik: Bitkom

Die meisten Patienten wollen ePa

Die elektronische Patientenakte (ePa) kommt zum 1. Januar 2021 und wird aller Voraussicht nach auf großes Interesse stoßen: 73 Prozent der Patienten würden die ePa nutzen. 64 Prozent der potenziellen Nutzer ist es essenziell, dass die Datenhoheit beim Versicherten liegt und nur der Patient bestimmt, welcher Arzt welche Daten sehen darf. Fast ebenso viele (63 Prozent) nennen insgesamt Datenschutz und Datensicherheit als wichtigste Themen. 31 Prozent legen großen Wert auf Bedienungsfreundlichkeit und 24 Prozent wünschen sich einen mobilen Zugang zu ePa über das Smartphone. 

Ebenfalls 2021 wird das elektronische Rezept in Deutschland eingeführt, das dann via Smartphone-App in der Apotheke nach Wahl eingelöst werden kann. 66 Prozent können sich vorstellen, das elektronische Rezept zu nutzen. 

Mehr Zeit für Patienten

Röntgen- und CT-Bilder auswerten, Tumore identifizieren, Krebstherapien individuell anpassen: Künstliche Intelligenz (KI) verfügt in der Medizin über ein großes Potenzial. Dieser Ansicht ist auch eine steigende Anzahl von Patienten: 44 Prozent sagen, sie würden sich künftig regelmäßig eine Zweitmeinung von einer Künstlichen Intelligenz einholen. Im Jahr 2019 waren es noch 31 Prozent. 45 Prozent meinen sogar, Ärzte sollten grundsätzlich ihre Diagnose von einer KI prüfen lassen (2019: 39 Prozent). Insgesamt sehen viele Menschen die KI vor allem als effektive Unterstützung: 64 Prozent sind davon überzeugt, dass Ärzte mehr Zeit für ihre Patienten haben, wenn Künstliche Intelligenz ihnen einfache Tätigkeiten abnimmt. 

Digitalisierung vorantreiben

„Nach 20 Jahren gesundheitspolitischer Lethargie kommt jetzt Schwung in digitale Gesundheitsangebote“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Qndere Länder seien beim Ausbau digitaler Gesundheitsangebote jedoch sehr viel fortschrittlicher. „Wir müssen in Deutschland dringend nachziehen. Ob alternde Gesellschaft oder Ärztemangel: Ohne Digitalisierung wird unser Gesundheitssystem die kommenden Herausforderungen nicht bewältigen können.“