Spannendes Experiment: Im Gegensatz zu Erwachsenen lassen sich Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren von sprechenden Robotern stark beeinflussen. Behaupten die Roboter etwas Falsches, geben Kinder dem sozialen Druck nach.
Wie eine neue Studie zeigt, übernehmen Kinder eine falsche Behauptung, auch wenn sie von einer Gruppe von Robotern geäußert wird. Die Studie der Informatikerin Dr. Anna-Lisa Vollmer von der Universität Bielefeld und mehrerer Kollegen ist nun im Fachmagazin „Science Robotics“ erschienen.
Das Forschungsteam nutzte das „Konformitätsexperiment“, mit dem der Psychologe Salomon Asch in den 1950er Jahren bekannt wurde. Das Experiment zeigt, wie sehr eine Gruppe die Meinung eines Einzelnen beeinflussen kann. „Die Versuchspersonen müssen eine bildliche Darstellung beurteilen und hören dazu die falsche Einschätzung anderer Personen, die in das Experiment eingeweiht sind“, erklärt Informatikerin Vollmer.
Roboter lügen kollektiv
In der neuen Studie bilden nicht Menschen die „eingeweihte“ Gruppe, sondern drei Roboter vom Typ Nao. Die Humanoiden können sprechen und gestikulieren und sind deutlich kleiner als Erwachsene (etwa 60 Zentimeter). Die Studie war zweigeteilt. In der ersten Phase der Experimente untersuchten die Forschenden, ob Erwachsene ihr Urteil an das der drei anwesenden Roboter anpassen. In der zweiten Phase nahmen Kinder im Alter von sieben bis neun Jahren an den Experimenten teil. Die Versuchspersonen sahen auf einem Bildschirm einen senkrechten Strich. Sie sollten dessen Länge mit drei weiteren Strichen (A, B und C) vergleichen und sagen, welcher Strich gleich lang sei. Wenn die richtige Antwort „B“ lautete, behaupteten die Roboter zum Beispiel fälschlicherweise „C“ sei die korrekte Antwort.
Das Ergebnis: „Kinder geben dem sozialen Druck nach, den die Gruppe von Robotern ausübt“, sagt Anna-Lisa Vollmer. „Erwachsene hingegen halten dieser Beeinflussung stand, obwohl sie sich in der gleichen Situation von anderen Menschen beeinflussen lassen würden.“
Kinder nehmen Roboter als ebenbürtig wahr
Womöglich liege es an der Größe der Nao-Roboter, dass sie die Erwachsenen in der Untersuchung nicht beeinflussen konnten, sagt Vollmer. „Durch ihr Aussehen und ihre Größe wurden die Naos von Kindern vermutlich eher als ebenbürtig wahrgenommen.“ Allerdings hatten sich die Forschenden bemüht, die Größe auszugleichen: Die Sitzhöhe der Roboter war in beiden Versuchen an die Sitzhöhe der Teilnehmenden angepasst.
Die aktuelle Studie verdeutlicht die „Macht“ von Robotern auf Kinder und leistet damit Pionierarbeit. „Obwohl Kinder als künftig bedeutende Nutzergruppe angesehen werden, ist bis jetzt kaum bekannt, welchen Einfluss Roboter auf Kinder haben und wie sich Roboter-Verhalten auf die kindliche Entwicklung auswirkt“, sagt Vollmer.
Das Studienergebnis hat praktische Bedeutung für den Einsatz von humanoiden Robotern. „Es gibt Anwendungen, in denen eine Beeinflussung Vorteile bietet, wie zum Beispiel im Gesundheitswesen oder der Bildung“, erläutert Vollmer. „Aber natürlich dürfen wir Missbrauch und falsche Anwendungen nicht außer Acht lassen. Wie soll zum Beispiel damit umgegangen werden, wenn mehrere Roboter in einem Geschäft für ein Produkt Werbung machen und eine Person dazu bringen, dieses Produkt zu kaufen, obwohl sie es sonst nicht gemacht hätte? Risiken bestehen auch, wenn ein autonom lernender Roboter falsche Schlüsse aus Sensordaten zieht und sich damit an Menschen wendet, die sich auf die Einschätzung des Roboters verlassen“, warnt die Informatikerin.
Für die Studie kooperierte die Bielefelder Informatikerin mit dem Robotiker Dr. Robin Read von der Plymouth University, mit dem Psychologen Dr. Dries Trippas vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und dem Informatiker Professor Dr. Tony Belpaeme von der Ghent University.