Anlässlich des Internationalen Antikorruptionstags 2022 haben die Organisationen Transparency Deutschland, MEZIS und leitlinienwatch.de ihre Forderung bekräftigt, dass medizinische Fakultäten und Ärztekammern verpflichtende Aufklärungsveranstaltungen zu Korruption im Gesundheitswesen einführen sollten.
Unter Korruption versteht man landläufig die direkte Bestechung oder Vorteilsgewährung. Zahlreiche namhafte Pharmafirmen sind genau dafür in den USA wiederholt angeklagt worden. In Deutschland gibt es solche aufsehenerregenden Prozesse bisher nicht. Aber auch hierzulande fallen einzelne MedizinerInnen wiederholt wegen sehr hoher Honorarzahlungen aus der Industrie auf.
Dabei sei vielen ÄrztInnen gar nicht bewusst, wie stark sie von der Industrie beeinflusst sind, wenn sie medizinische Geräte anwenden oder Medikamente verschreiben, sagen die Organisationen Transparency Deutschland, MEZIS und leitlinienwatch.de. Im Studium werden kein angehender Mediziner darauf vorbereitet, das verschiedene Firmen durch „Sponsoring“ Einfluss auf sie nehmen und sie dadurch letztendlich bei bestimmten Entscheidungen befangen sind. Die Organisationen räumen in diesem zusammenhang ein, dass Kooperationen und Kontakte mit Herstellern von Geräten und Arzneimitteln fachlich notwendig sind. Doch der enge „Draht“ zu verschiedenen Firmen dürfe nicht dazu führen, dass Versuchen der Einflussnahme nicht kritisch-distanziert entgegengetreten werde.
Forderungen erneuert
Der Medizinische Fakultätentag hat bereits im Juni 2022 ausführlich begründet, weshalb es unter anderem Lehrveranstaltungen zum Themenkomplex „Transparenz und Umgang mit Interessenkonflikten an den medizinischen Fakultäten” geben sollte. In einer gemeinsamen Stellungnahme hatten leitlinienwatch.de, Transparency Deutschland und MEZIS bereits im März 2022 gefordert, ÄrztInnen für das umfangreiche Beeinflussungs-Versuche verschiedener Unternehmen zu sensibilisieren.
Beeinflussungs-Repertoire sollte erlernt werden
Die Anti-Korruptionsorganisationen warnen: Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass direkte und indirekte Industriekontakte das Verschreibungsverhalten und Urteilsvermögen zugunsten einzelner Medikamente, Geräte oder Firmen beeinflussen. MedizinerInnen werden etwa von Pharma-ReferentInnen beeinflusst und setzen deren Muster ein. Sie nehmen an Industrie-gesponserten Veranstaltungen und Kongressen teil oder führen von Firmen bezahlte Studien, Anwendungsbeobachtungen oder Patientenbefragungen durch. ÄrztInnen können aber nur dann Medikamente und Geräte verantwortungsvoll anwenden, wenn ihnen das gesamte Beeinflussungs-Repertoire bewusst ist und sie gelernt haben, damit umzugehen. Nicht minder wichtig: PatientInnen können nur dann den behandelnden ÄrztInnen vertrauen, wenn sie sich auf deren Unabhängigkeit verlassen können.