Smarte Prothesen erkennen menschlichen Willen

Forschende wollen intelligente Prothesen noch weiter verbessern. (Foto: Nightunter/123rf.com)

Wie sogenannte intelligente Prothesen weiter verbessert und zuverlässiger gemacht werden können, erforscht ein Team der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU). 

Die Forschenden wollen bei der Entwicklung alltagstauglicher Prothesen helfen, die mit Hilfe interaktiver künstlicher Intelligenz lernen, den menschlichen Willen genauer zu erkennen, ihre Umwelt zu registrieren und sich dabei ständig weiterentwickeln. Denn bislang stoßen Prothesen im Alltag schnell an ihre Grenzen. Ein Glas anheben, die Faust ballen, mit dem Zeigefinger eine Telefonnummer tippen: Das gelingt zwar im Labor gelingt, aber darüber hinaus wird es schwierig. Denn die Absichten des einzelnen Menschen, seine Umgebung und die Dinge darin sind zu vielfältig, um sie einmalig vorgeben zu können. Hier setzt das Projekt der Wissenschaftler an.

Arbeit an der Schnittstelle

„Wir arbeiten buchstäblich an der Schnittstelle von Mensch und Maschine“, erklärt Prof. Dr. Claudio Castellini, Professur für Medizinrobotik an der FAU. „Prothesen für die oberen Gliedmaßen haben sich in den letzten Jahrzehnten technologisch stark weiterentwickelt.“ Mithilfe der Oberflächen-Elektromyographie etwa können Haut-Elektroden am verbliebenen Armstumpf feinste Muskelregungen erfassen. Diese Biosignale lassen sich konvertieren und als elektrische Impulse auf die Prothese übertragen. „Der Träger oder die Trägerin steuert die Handprothese also selbstständig mit dem Armstumpf. Durch Methoden der Mustererkennung und des interaktiven maschinellen Lernes kann der Mensch der Prothese zudem seine individuellen Bedürfnisse beim Ausführen einer Geste oder einer Bewegung beibringen.“ 

Prothesen effektiver machen

Die robotischen Prothesen sind allerdings noch nicht ausgereift, wenn es um Komfort, Funktion und Kontrolle geht. Viele Menschen mit fehlenden Gliedmaßen bevorzugen daher funktionslose, rein kosmetische Prothesen. Das neue EU-Horizon-Projekt „AI-Powered Manipulation System for Advanced Robotic Service, Manufacturing and Prosthetics (IntelliMan)“ untersucht deshalb, wie smarten effektiver und zielgerichteter mit ihrer Umwelt interagieren können. Das Projekt wird von EU mit sechs Millionen Euro gefördert, davon erhält die FAU erhält 467.000 Euro.

Die Forschenden der FAU wollen herausfinden, wie reale, aber auch virtuelle Prothesen der oberen Gliedmaßen besser kontrolliert werden können. Fokus ist die sogenannte „Intent Detection“ (Absichtserkennung). Damit das gelingt, entwickeln Prof. Castellini und sein Team die Erfassung und Analyse der menschlichen Biosignale weiter und entwerfen neuartige Algorithmen des maschinellen Lernens. Ziel ist es, individuelle Bewegungsmuster einer Person zu ermitteln. Ihre Ergebnisse validieren die Wissenschaflter in Nutzerstudien an Probanden mit und ohne körperliche Einschränkungen. Außerdem leitet das FAU-Team den Bereich „Shared Autonomy between humans and robots“ des EU-Projekts, dessen Ziel es ist, die Ergebnisse im Hinblick auf die Sicherheit zu prüfen.

Prothesen Schnittstellen verbessern

„Wir nutzen die Möglichkeiten der Absichtserkennung zur Steuerung von assistiver und rehabilitativer Robotik“, sagt Castellini. Dazu gehörten am Körper tragbare Roboter, wie Prothesen und Exoskelette, aber auch Roboterarme und Simulationen in der Virtual Reality. Der Fokus liegt vor allem auf der Biosignalverarbeitung verschiedener Sensormodalitäten und Methoden des maschinellen Lernens zur Absichtserkennung, also der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine.