Interesse an medizinischen Kennzahlen wächst

Viele Krankenhäuser in Deutschland müssen den Rotstift ansetzen. Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss genau auf seine Daten schauen und hier Optimierungspotential aufspüren. Business Intelligence (BI)-Lösungen im medizinischen Umfeld gewinnen deshalb an Bedeutung. mednic.de sprach mit Guido Mitschke, Geschäftsführer des Hamburger Medizincontrolling-Spezialisten Transact – Gesellschaft für Software & Analyse mbH, über den Nutzen von BI im Gesundheitswesen.

Transact-Geschäftsführer Guido Mitschke
Transact-Geschäftsführer Guido Mitschke: „Wer keinen Überblick über das Leistungsgeschehen hat, kann sein Unternehmen auch nicht in die richtige Richtung steuern.“ (Foto: Transact)

mednic: Wie bewerten Sie das Interesse der Krankenhäuser an Business-Intelligence-Lösungen verglichen mit dem Interesse vor einigen Jahren?

Mitschke: Wir sind mittlerweile seit 13 Jahren mit unseren Lösungen auf dem Markt. Seit ungefähr fünf Jahren ist das Interesse, Kennzahlen zu generieren, stark gestiegen. Es sind längst nicht mehr nur Controller und Geschäftsleitung, die Zahlen analysieren wollen. Auch medizinische Kennzahlen werden interessant und mit den Chefärzten diskutiert.

mednic: Was sind Ihrer Einschätzung nach die größten Vorteile, die sich durch die Analyse von Kennzahlen ergeben?

Mitschke: Die Vorteile werden am deutlichsten, wenn man sich die die Defizite bewusst macht, die ohne Analyse entstehen: Wer keinen Überblick über das Leistungsgeschehen hat, kann sein Unternehmen auch nicht in die richtige Richtung steuern. Der große Vorteil, der sich im Umkehrschritt daraus ergibt, ist höchstmögliche Transparenz. Diese ist erforderlich, um auf Gesetzesänderungen, Veränderungen in der Personalstruktur oder der Patienten reagieren zu können. Durch die Transparenz entsteht ein richtiger Aha-Effekt und man kann sich plötzlich erklären, warum etwas in der Vergangenheit schief gelaufen ist beziehungsweise gut funktioniert hat.

Mein Eindruck ist zwar, dass viele Krankenhäuser das alles gar nicht so genau wissen wollen. Fakt ist jedoch, dass heute einfach kein Weg mehr daran vorbeiführt, Kennzahlen parat zu haben. Ein Beispiel: Die Einführung der Mindestmengen-Regelung in den Krankenhäusern vor einigen Jahren. Dabei handelt es sich um die Vorschrift, dass man bestimmte Leistungen nur noch anbieten kann, wenn man bereits eine gewisse Anzahl an Operationen in dem jeweiligen Fachgebiet vorweisen kann. Wenn Krankenhäuser gar keinen Überblick über die Anzahl der durchgeführten Operationen haben, kann sich das schnell zum finanziellen Nachteil für das Krankenhaus entwickeln.

Klinik-Fusionen lassen Datenmengen ansteigen

mednic: Welchen Vorteil bringt Business Intelligence angesichts der steigenden Anzahl von Zusammenschlüssen von Unternehmen im Krankenhausbereich?

Mitschke: Durch die Zunahme der Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich werden auch die Datenmengen immer größer. Umso wichtiger ist es, Transparenz zu schaffen. Früher, als die Krankenhäuser noch kleiner waren, war es einfacher, einen Überblick über die Operationen zu behalten. Heutzutage können sich Chefärzte durch die große Anzahl an Operationen nicht mehr an jede einzelne erinnern. Die Menge der Daten steigt also stark an. Zudem werden die erhobenen Daten auch klinikübergreifend und zur Optimierung des Krankenhaus-Alltags benutzt: Man gewinnt neue Kennzahlen und kann dementsprechend Vorgänge anpassen. Das kommt sowohl den Patienten zugute als auch den Finanzzahlen der Kliniken. Die Kennzahlen versprechen also qualitative und wirtschaftliche Verbesserungen.

mednic: Was sind die größten Fallstricke bei der Auswertung von Gesundheitsdaten?

Mitschke: Der größte Fallstrick ist die Datenqualität. Wenn unsere Kunden beispielsweise Qlik-View oder DRG-View einsetzen, erleben wir oft folgendes: Wir geben den Krankenhäusern zunächst einen Blick auf ihre Daten. Häufig macht sich dann Betroffenheit breit, da die Daten oft nur von minderer Qualität und somit nicht aussagekräftig sind. Genau das ist aber der erste Ansatzpunkt, um Prozesse zu verbessern. Man kann identifizieren, wo die Qualität der Daten nicht ausreicht. Der erste Schritt ist dann, die Erfassungsqualität zu verbessern. Ein Beispiel aus dem OP-Bereich: Es kam häufig vor, dass die Daten ergaben, ein Patient wäre gleichzeitig in verschiedenen Operationssälen. Durch solche Fehlinformationen ist es nicht möglich, die Auslastung eines Operationssaals zu berechnen. Das lässt sich mit Hilfe von Business Intelligence herausfinden und optimieren. Durch die Menge der Daten kristallisieren sich letztendlich Plausibilitäten heraus. Erst wenn die Zahlen auch ausgewertet werden, wird bei der Erfassung der Daten sorgfältiger gearbeitet – denn dann ist der Sinn und Zweck der Datenerhebung sichtbar.

Blick in die Zukunft wird möglich

mednic: Wie wird sich der Bereich Gesundheitswesen Ihrer Einschätzung nach weiterentwickeln?

Mitschke: Ich denke, dass die tatsächliche medizinische Bewertung von Fällen immer wichtiger wird. Im Moment zielt alles auf die Ökonomie ab. Die Zusammenhänge von Daten und das Einbinden von unterschiedlichsten Datenquellen sind ein wichtiger Trend. Wovon heute noch nichts zu merken ist, was aber sicherlich kommen wird, sind Predictive Analytics. Damit wird sozusagen ein Blick in die Zukunft möglich. Auf der Basis von vorhandenen Daten wird eine Vorhersage getroffen. Zum Beispiel: Wie viele Hüften werde ich voraussichtlich nächstes Jahr operieren? Solche Dinge lassen sich durch statistische Verfahren unter Einbindung weiterer Datenquellen relativ genau hochrechnen. Wie ich Gesprächen mit Kunden immer wieder entnehme, sind es solche Fragestellungen, die für die Krankenhäuser interessant sind.

Ein weiterer Trend ist, dass alles mobiler wird und entsprechend Datenanalyse auf mobilen Endgeräten stattfindet. Zurzeit scheitert vieles noch an der Altersstruktur der Chefärzte, doch junge Ärzte nutzen immer häufiger Smartphones und Tablets auch am Arbeitsplatz. Darauf sind wir vorbereitet und verfügen bereits über die richtige Technologie, um unsere Analysen auf diesen Geräten abzubilden.

mednic: Der Hersteller Phillips hat kürzlich ein neues Diktiergerät vorgestellt, das sich auch mit Analyse-Lösungen verknüpfen lässt. So werden die diktierten Daten direkt verfügbar. Wird das zum Status quo im Gesundheitswesen?

Mitschke: Wir haben in der Hinsicht auch schon mit solchen Systemen zusammengearbeitet. Dabei geht es primär um Workflow-Analysen. Ein Beispiel: Wie lange braucht es von der Untersuchung bis zum Befund bis zum Arztbrief? Hier gibt es einen Ansatzpunkt für Analysen, der bereits heute mit eingebunden werden kann. Zukünftig wird die Anbindung von direkten Geräten sicherlich noch viel stärker stattfinden. In der Radiologie wird das bereits eingesetzt – dort werten wir Bilddaten aus. Irgendwann werden alle Systeme und Informationen im Gesundheitsbereich zu einem großen Data Warehouse zusammenlaufen. Das wird jedoch nicht innerhalb der nächsten fünf Jahre passieren, sondern scheint mir eher eine Lebensaufgabe zu sein. Es geht voran, aber nur Stück für Stück.

mednic: Herr Mitschke, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

Transact wurde im Jahr 1994 als Transact Software GmbH gegründet und hat sich auf das Design und die Umsetzung von Softwarelösungen im Gesundheitswesen und andere Branchen spezialisiert. Das Unternehmen entwickelt und implementiert Software zur Unterstützung administrativer Prozesse und bietet Beratungs- und Integrationsleistungen an. Die Grundlage fast aller Transact-Arbeiten bietet die Business-Intelligence-Plattform QlikView. Transact zählt aktuell mehr als 450 Kunden in den Bereichen Krankenhäuser, Klinikträger, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen. Qlik ist Anbieter von Data Discovery und liefert Lösungen für Self-Service-Datenvisualisierungen und Analytics. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Radnor, Pennsylvania (USA). Mit mehr als 1.700 Partnern in über 100 Ländern ist Qlik weltweit vertreten.