Das Cologne Institute for Digital Ecosystems (CIDE) der TH Köln hat ein ganzheitliches System entwickelt, mit dem Logistikprozesse in der Pharmaindustrie vereinfacht werden sollen.
Beim Transport von Arzneimitteln müssen zahlreiche Anforderungen wie eine exakte Dokumentation und die Einhaltung von Kühltemperaturen erfüllt werden. Bisher kommen dabei zumeist Insellösungen zum Einsatz, deren Handhabung zeitaufwändig ist. Zudem entstehen teilweise hohe Kosten. Das Cologne Institute for Digital Ecosystems (CIDE) der TH Köln hat im Projekt „sensoKo“ gemeinsam mit der m2m Germany GmbH ein System für einen vereinfachten Logistikprozess entwickelt.
„Jeden Tag werden in Deutschland rund 57.000 Medikamente an Apotheken ausgeliefert. Dabei müssen gemäß der ,Good Distribution Practice of medicinal products for human use‘ (GDP) bestimmte Anforderungen eingehalten werden, zum Beispiel die durchgängige Überwachung und vollständige Dokumentation der Temperatur“, erläutert Professor Dr. Matthias Böhmer vom CIDE. Zur Umsetzung dieser Leitlinie werden bislang mehrere Behälter mit spezifischen Temperaturbereichen verwendet. Um die Temperatur in diesen zu kontrollieren, kommen so genannte Datenlogger – das sind kompakte, batteriebetriebene Geräte mit Mikroprozessor, Datenspeicherung und mehreren Sensoren – zum Einsatz, die in die Behälter gelegt werden.
Diese Lösungen seien allerdings nicht optimal, so Böhmer: „Zum einen geht dadurch viel Platz in den Transportfahrzeugen verloren. Zum anderen müssen die Datenlogger einzeln und teilweise sogar manuell ausgelesen werden – das kostet Zeit und ist mitunter unpräzise. Deshalb kann die Kühlkette aktuell nicht immer eingehalten werden, so dass Arzneimittel entsorgt und ausgetauscht werden müssen“, so Böhmer. Um die Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten und laufende Betriebskosten bei Pharmaunternehmen zu reduzieren, wurde im Projekt „sensoKo“ ein neuartiges Transportbehältersystem mit mehreren Isolierkammern und integrierter Sensorik entwickelt.
Web- und App-Anwendung zur Kontrolle
In einem ersten Schritt führte das Projektteam eine vorläufige Marktanalyse durch und untersuchte die Prozessabläufe in der bisherigen Lieferkette, um daraus Anforderungen an das Gesamtsystem abzuleiten. Dadurch konnten zunächst drei wesentliche Temperaturbereiche für den Transport von Arzneimitteln identifiziert werden: tiefgekühlt, also unter minus 20 Grad Celsius; frisch, zwischen zwei und acht Grad Celsius; und Raumtemperatur, zwischen 15 und 25 Grad Celsius. Die jeweiligen Temperaturen werden in dem neu entwickelten System mit Hilfe von Sensoren gemessen. Diese können im Gegensatz zu den Datenloggern fest verbaut werden, sind in hohem Maße wiederverwertbar, haben eine optimierte Energieeffizienz und messen die Temperatur zuverlässiger.
Darüber hinaus ermittelte das Team die Aufgaben, Bedarfe und Schnittstellen von Großhandel, Transport und Apotheken, um einen GDP-konformen und sicheren Transport der Arzneimittel zu gewährleisten. Implementiert wurde eine eine Smartphone-App. Die Sensoren kommunizieren direkt im Internet of Things (IoT), so dass die Temperaturbereiche in Echtzeit überwacht werden können. Permanent kann kontrolliert werden, ob Kisten in falschen Momenten geöffnet oder bestimmte Temperaturwerte innerhalb der Kammern überschritten werden.
Arzneimittel-Logistik mit Verbesserungspotenzial
In mehreren Funktionstests, in denen der Prozessablauf einer Arzneimittellieferung simuliert wurde, konnte das Gesamtsystem schließlich erfolgreich getestet werden. „Die von uns entwickelte Softwarearchitektur sowie die dazugehörigen Hardwarekomponenten ermöglichen eine deutlich präzisere Überwachung der Temperaturen in Mehrkammer-Isolierbehältern. Dadurch kann die Qualität von Arzneimittel-Logistik verbessert werden und die bisher mitunter zeitaufwändige Dokumentation wird automatisiert“, sagt Böhmer. Das Ergebnis des Projektes ist direkt anwendbar in der Domäne der Pharmalogistik. Bestandteile der Entwicklung wie die mobile App zur Überprüfung von Prozessketten oder die IoT-Plattform für die echtzeitnahe Auswertung von Daten lassen sich aber auch in weiteren Bereichen – zum Beispiel in Wertschöpfungsketten in der Industrie 4.0 – verwenden.
Darüber hinaus gebe es verschiedene Möglichkeiten, das bestehende System zu optimieren und zu erweitern. „Um Abweichungen von den festgelegten Temperaturbereichen noch effizienter und vor allem frühzeitig zu erkennen, könnten in weiteren Untersuchungen alternativ auch auf Künstlicher Intelligenz basierende Modelle erforscht werden“, so Böhmer. Zudem sei es sinnvoll, in Folgearbeiten auch lokationsbezogenes Tracking zu implementieren, um die Lieferketten der Arzneimittel für die beteiligten Akteure besser nachvollziehbar zu machen und die Dokumentation zu erleichtern.
Wirtschaftsministerium förderte das Projekt
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt „Entwicklung eines sensor- und cloud-basierten Kommunikationssystems zur speziellen Integration in Mehrkammer-Isolierbehälter für eine effizientere GDP-konforme Prozessabwicklung in der Pharmaindustrie“ (sensoKo) wurde an der TH Köln von Professor Dr. Matthias Böhmer vom Cologne Institute for Digital Ecosystems geleitet. Projektpartner war die m2m Germany GmbH. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz über einen Zeitraum von zwei Jahren mit 156.000 Euro gefördert.