Effiziente Diagnose diabetesbedingter Augenkrankheit

Mit einer neuen Methode wollen Forschende die automatisierte Diagnose von Augenkrankheiten wie diabetischer Retinopathie effizienter macht. (Foto: denisnata/123rf.com

Mittels Deep Learning und einer neuen Methode wollen Forschende die automatisierte Diagnose von Augenkrankheiten wie diabetischer Retinopathie effizienter macht. Die neue Methode reduziert den Bedarf an teuren annotierten Daten für das Trainieren des Algorithmus und ist deshalb für Kliniken interessant.

Entwickelt wurde die Methode von Forschenden des Helmholtz Zentrums München gemeinsam mit der Augenklinik des Klinikums der Universität München (LMU) und der Technischen Universität München (TUM). Für den Anwendungsfall der diabetischen Retinopathie entwickelte die Forschungsgruppe einen Screening-Algorithmus. Er benötigt 75 Prozent weniger annotierte Daten und kann Diagnosen mit der gleichen Leistung durchführen wie Fachkräfte.

In den letzten Jahren sind Künstliche Intelligenz und Deep Learning für für Kliniken immer interessanter geworden – beispielsweise zur automatisierten Auswertung medizinischer Bilddaten. Um Deep-Learning-Algorithmen beizubringen, Bilder korrekt auszuwerten und Diagnosen vorherzusagen, sind allerdings große Mengen an annotierten Daten erforderlich. In Kliniken sind diese mit Informationen versehenen Daten jedoch oft rar. Denn das wHinzufügen der Informationen durch Fachkräfte ist teuer. In der Forschung war man deshalb auf der Suche nach Lösungen, um den Bedarf an großen Datenmengen mit teuren Annotationen zu reduzieren. Trotzdem sollte es keine Einbuße in der Leistung des Algorithmus geben.

Anwendungsfall diabetische Retinopathie

Die durch Diabetes hervorgerufene Augenerkrankung diabetische Retinopathie schädigt die Netzhaut und kann zur Erblindung führen. Zur frühzeitigen Diagnose der Krankheit in Risikopatienten wird regelmäßig die Dicke der Netzhaut gemessen. Dafür nehmen Kliniken ein Bild des Fundus auf, der Oberfläche der Rückseite des Auges. Um die Auswertung dieser Aufnahmen zu automatisieren, haben einige Kliniken begonnen, Deep-Learning-Algorithmen einzusetzen. Diese Algorithmen benötigen eine große Anzahl an Fundus-Bildern mit teuren Annotationen. Anhand dieser lernen sie, die Bilder korrekt auszuwerten.

Die Augenklinik der LMU verfügt über einen Datensatz mit mehr als 120.000 Fundus- und dazugehörigen OCT-Bildern. OCT (optische Kohärenztomografie) liefert präzise Informationen über die Netzhautdicke, wird aber aufgrund der hohen Kosten nicht in jedem Augenzentrum durchgeführt. Die LMU stellte ihre Daten Forschenden des Helmholtz Zentrums zur Verfügung.

Pre-Training mit LMU-Daten

„Unser Ziel war es, diese einzigartig große Menge an Fundus- und OCT-Bildern zu nutzen, um eine Methode zu entwickeln, die den Bedarf an teuren annotierten Daten für das Training des Algorithmus reduziert“, sagt Olle Holmberg, Erstautor der Studie am Helmholtz Zentrum München und der TUM School of Life Sciences.

Die Forschungsgruppe entwickelte eine neue Methode, die sie als „cross modal self-supervised retinal thickness prediction“ bezeichnet. Diese Methode nutzen sie zum „Pre-Training“ des Deep-Learning-Algorithmus mit den Daten der LMU. Dabei hat sich der Algorithmus selbst beigebracht, nicht-annotierte Fundus-Bilder auf Basis unterschiedlicher OCT-abgeleiteter Profile der Netzhautdicke zu erkennen. Damit gelang es dem Algorithmus, die Netzhautdicke allein auf Basis des Fundus-Bildes vorherzusagen.

Trainingsdaten deutlich reduziert

Die neue Methode verringert den Bedarf an teuren annotierten Daten für das Training des Deep-Learning-Algorithmus erheblich. Bei automatisierten Screenings für diabetische Retinopathie erreichte der Algorithmus die diagnostische Leistung sowohl von medizinischen Fachkräften als auch von Algorithmen, die weit mehr Trainingsdaten benötigen.

„Wir haben es geschafft, den Bedarf an annotierten Daten um 75 Prozent zu reduzieren”, sagt Prof. Fabian Theis, Direktor des Instituts für Computational Biology am Helmholtz Zentrum München und Wissenschaftlicher Direktor von Helmholtz AI, der Plattform für künstliche Intelligenz der Helmholtz Gemeinschaft. „Die geringe Verfügbarkeit annotierter Daten ist eine große Herausforderung für die Medizin. Wir haben es deshalb zu unserem Ziel gemacht, Methoden zu entwickeln, die weniger Daten benötigen und sich dadurch für den klinischen Einsatz eignen. Kliniken können unseren Screening-Algorithmus für diabetische Retinopathie ab sofort nutzen. Dies ist ein perfektes Beispiel dafür, wie wir mit künstlicher Intelligenz den Alltag in der Medizin und somit auch die Gesundheit aller verbessern können.“

Echte Verbesserung

„Die automatisierte Erkennung und Diagnose der diabetischen Retinopathie auf Basis der weit verbreiteten Fundus-Fotografie stellt für Vorsorgeuntersuchungen eine echte Verbesserung dar“, sagt Dr. med. Karsten Kortüm von der Augenklinik der LMU, der für den klinischen Teil dieser Studie verantwortlich war. Damit könnten seiner Einschätzung nach auch die Überweisungen von Patienten an teilweise überfüllte spezialisierte Augenkliniken reduziert werden.

Algorithmus verfügbar

Die Forschenden haben übrigens noch eine weitere Reduktion erreicht, nämlich bei der „Größe des Algorithmus“, d.h. der Anzahl seiner Parameter. Die neue Methode ermöglicht bis zu 200 Mal kleinere Algorithmen. Das könnte den Einsatz auf mobilen oder eingebetteten Geräten im klinischen Umfeld erleichtern. Der Algorithmus ist auf GitHub verfügbar.