Knochenimplantate, Zahnersatz, chirurgische Werkzeuge oder Mikroreaktoren in nahezu beliebigem Design herstellen? Das wollen Fraunhofer-Forscher erreichen und haben dazu besonders flexibles additives Fertigungsverfahren entwickelt, das sie auf der Medizintechnikmesse Medtec (12. bis 16. April) in Stuttgart präsentieren.
Die kleine Arzneimittelfabrik neben dem Patientenbett ist nicht größer als ein Zwei-Euro-Stück. Ihre Leitungen und Kanäle sind nur wenige hundert Mikrometer groß. Sie mischt verschiedene Medikamente wie Schmerzmittel, Blutverdünner und Antibiotikum zusammen. Das alles funktioniert kontinuierlich und genau auf den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten abgestimmt. Zukunftsmusik? Bislang schon, denn ein solches dieses Szenario moderner Mikroreaktionstechnik gibt heute noch nicht in Krankenhäusern. Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden arbeitet jedoch daran, dass sich das in naher Zukunft ändert. Die Forscher setzen auf suspensionsbasierte, additive Fertigungsverfahren und deren Kombination mit anderen Produktionsmethoden, um Mikroreaktoren, aber auch Knochenimplantate, Zahnersatz oder chirurgische Werkzeuge herzustellen.
Die Wissenschaftler präsentieren einen technologischen Ansatz, mit dem sich medizinische Bauteile in nahezu jedem beliebigen Design im 3D-Druck fertigen lassen. „Wir sind weder bei der Art noch bei der Farbe des Materials der gewünschten Bauteile limitiert. So lassen sich Keramiken, Gläser, Kunststoffe oder auch Metalle über thermoplastischen 3D-Druck verarbeiten“, sagt Dr. Tassilo Moritz vom IKTS-Geschäftsfeld „Werkstoffe und Verfahren“. Ein weiterer Vorteil: Mehrere verschiedene Materialien können gleichzeitig gefertigt werden. So haben die Forscher bereits erfolgreich Bauteile aus Hochleistungskeramiken und Hartmetallen hergestellt.
Wichtig ist ein solcher Multimaterialansatz beispielsweise in der Chirurgie: Endoskope verfügen oft über ein Instrument, das Gewebe zunächst aufschneidet, Blutgefäße aber sofort wieder über elektrischen Stromfluss verschließt. Damit der Strom den Patienten nicht belastet, muss das Instrument neben Edelstahl auch isolierende keramische Bauteile besitzen. „Keramische Werkstoffe sind häufig gut für medizinische Geräte und Bauteile geeignet. Keramiken sind verschleißbeständig und lassen sich gründlich reinigen“, erläutert Moritz.
Die richtige Mischung
Kern des additiven Fertigungsverfahrens Technologie ist die optimale Aufbereitung von keramischen oder metallischen Suspensionen. Die Mischungen basieren auf einem thermoplastischen Binder, der bereits bei Temperaturen um 80 Grad Celsius flüssig wird. Das ist bei der additiven Fertigung entscheidend, damit sich die Suspensionen rasch abkühlen und eine Schicht nach der anderen übereinander gelegt werden kann. In diesem Binder verteilen sie fein Pulverteilchen aus Metall, Glas oder Keramik. „Wir mischen sehr homogen und stellen die optimale Viskosität exakt ein. Nur so gibt der Drucker die für die jeweilige Bauteilkontur geeignete Tröpfchengröße ab“, erklärt Moritz. Dabei sei es entscheidend, weder zu flüssig noch zu pastös zu mischen. „Dafür muss man die Aufbereitungstechnik entsprechend beherrschen“, so der Wissenschaftler. Durch die elektrisch erzeugte Temperatur im Drucker wird die Suspension aufgeschmolzen. Nach der Ablage härten die Tröpfchen durch schnelle Abkühlung sofort aus. Das Werkstück baut sich dann auf einer ebenen Plattform Punkt für Punkt auf. Dabei können verschiedene Materialien über mehrere Auftragsaggregate parallel aufgebracht werden.
Eine weitere Herausforderung für die Forscher: „Das Verhalten der verschiedenen Suspensionen bei der anschließenden Sinterung der Bauteile muss so aufeinander angepasst werden, dass dies defektfrei erfolgt“, sagt Moritz. „Wir modifizieren dafür die Ausgangspulver durch spezielle Mahlprozesse.“ Beim Sintern erhitzen sich feinkörnige keramische oder metallische Stoffe unter Druck. Die Temperaturen der Stoffe bleiben dabei so niedrig, dass sich die Gestalt des Werkstücks nicht verändert.
Neue Möglichkeiten – mehr Sicherheit
Für die Mikroreaktionstechnik aus keramischen Bauteilen erhofft sich der Forscher viel von den neuen Möglichkeiten. Denn bisher verhinderte die Fertigungstechnik den Durchbruch der Miniatur-Chemiewerke, so dass ihr Einsatz vor allem auf Forschungslabore beschränkt war. Das könnte sich jetzt ändern. Denn keramische Bauteile lassen sich nun anwendungsgerecht statt fertigungsgerecht bauen. „Bislang wurden keramische Mikroreaktoren zumeist aus Platten gefräst. Innere und äußere Abdichtung stellten dabei immer eine technologische Herausforderung dar. Außerdem gab es das Problem passender Anschlüsse. Diese druckt man jetzt einfach zusammen mit dem keramische Bauteil in beliebiger Form aus“, so der promovierte Werkstoffwissenschaftler.
Von den neuen Möglichkeiten profitieren nicht nur Ärzte. Auch für Pharmazeuten und Chemiker, die häufig sehr sehr teure oder gefährliche Stoffe verarbeiten, sieht der Wissenschaftler Vorteile: „Hier zunächst mit möglichst kleinen Mengen in einem Mikroreaktor zu arbeiten, ist günstiger und sicherer.“ Jetzt suchen die Forscher Partner, um ihre Technologie in die Praxis zu bringen.