Wie kann die seelische Gesundheit von Beschäftigten im Krankenhaus gestärkt werden? Dieser Frage gehen jetzt Wissenschaftler der Universitätsklinika Ulm, Heidelberg, Düsseldorf und Tübingen sowie der Universität Ulm nach. Der Forschungsverbund „Seelische Gesundheit am Arbeitsplatz Krankenhaus“ – kurz: SEEGEN – wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 2,6 Millionen Euro geförderten.
Das berufliche Umfeld kann einen positiven Einfluss auf die Gesundheit sowie die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten haben etwa durch die Chance, Anerkennung zu erfahren, kreativ und produktiv zu sein, soziale Kontakte zu knüpfen. Diese positiven Erfahrungen können als Ressource dienen, um belastende Situationen zu bewältigen. Negative Einflüsse entstehen, wenn die moderne, verdichtete Arbeitswelt überfordert oder entfremdet. In den Kliniken haben sich die Arbeitsbereiche in den letzten Dekaden enorm gewandelt, etwa aufgrund von Kosteneinsparungsmaßnahmen. Ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagementsystem könnte dazu beitragen, Mitarbeiter in der modernen Arbeitswelt zu unterstützen und die seelische Gesundheit zu stärken.
Die Partner des Forschungsverbunds SEEGEN wollen diese Herausforderung angehen. Gemeinsam wollen sie Maßnahmen entwickeln, die speziell auf das Arbeitsumfeld Krankenhaus zugeschnitten sind. Dabei geht es zum einen darum, was die Arbeitnehmer selbst ändern und bewirken können, als auch darum die äußeren Faktoren am Arbeitsplatz Krankenhaus positiv zu beeinflussen. „Unser Ergebnisse wollen wir auch auf gesundheitspolitischer Ebene diskutieren und Veränderung erreichen“, sagt Professor Dr. Harald Gündel, Verbundprojektleiter und Ärztlicher Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Ulm.
Belastende Arbeitsbedingungen
An der Uniklinik Heidelberg wollen die Wissenschaftler Bausteine zu einem gesunden Altern im Pflegeberuf entwickeln. Das Projekt beginnt in Kürze mit einer ersten Fragebogenerhebung, bei der rund 1.800 Pflegekräfte des Universitätsklinikums angeschrieben werden. „Wir fragen, welche Arbeitsbedingungen die Pflegenden als belastend empfinden, wie sie bislang damit umgegangen sind und welche Auswirkungen diese auf ihren Gesundheitszustand haben“, erklärt Dr. Imad Maatouk von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik am Heidelberger Klinikum. Darauf aufbauend entwickeln und erproben die Wissenschaftler ein Interventionsprogramm. „Wir wollen den Teilnehmenden praxisrelevante Hilfe anbieten. Das Programm wird sehr problem- und zielorientiert. Unser Ziel ist es, mit den Pflegenden gemeinsam individuelle Strategien zu entwickeln, die im Arbeitsalltag umgesetzt werden, um diese Belastungen nachhaltig zu reduzieren und Gesundheit zu erhalten.“
Dilemmakompetenztraining
Ebenfalls in Heidelberg sollen Führungskräfte mit Hilfe eines sogenannten Dilemmakompetenztrainings unterstützt werden Wege aus Zwickmühlen zu finden. „In ihrem Berufsalltag müssen Führungskräfte oft Entscheidungen treffen, auf die es keine Antwort ohne Nachteile gibt. Egal, wie man sich entscheidet – ein Anspruch oder Wunsch muss immer hintenangestellt werden“, erklärt Prof. Dr. Jochen Schweitzer-Rothers, Leiter der Sektion Medizinische Organisationspsychologie am Universitätsklinikum Heidelberg. „Insbesondere im Zusammenspiel mit einem hohen Arbeitsdruck kann das sehr belastend sein.“ Die Wissenschaftler erproben ihr neues Programm in mehreren Kliniken. Angesprochen sind Führungskräfte der mittleren Managementebene, wie Oberärzte und Stationsleitungen – Menschen mit Personalverantwortung, die die Strategie des Unternehmens nicht bestimmen, oft aber Anordnungen von oben an ihre Mitarbeiter weitergeben müssen. Das Training läuft von Frühjahr 2018 bis Frühjahr 2019, im Anschluss werten die Wissenschaftler den Erfolg des Programms aus.