Pflegemarkt vor großer Herausforderung

Stark wachsender Pflegebedarf und Fachkräftemangel: der Pflegemarkt steht vor signifikanten Herausforderungen. Nur mit ganzheitlichen Maßnahmen lassen sich diese Anforderungen in den kommenden Jahren erfolgreich bewältigen. Dazu zählen auch die konsequente Nutzung von Digitalisierung und Technologie.

Generell ist der Pflegemarkt ist wirtschaftlich erfolgreich und wird in den kommenden Jahren signifikant wachsen. Bis 2030 soll das Marktvolumen von derzeit rund 47 auf über 66 Milliarden Euro ansteigen. Gleichzeitig wird die Zahl der Pflegebedürftigen um 34 Prozent auf 4,1 Millionen zunehmen. Um diesen Anstieg zu bewältigen, werden bis zu 400.000 zusätzliche vollstationäre Pflegeplätze benötigt, der Bedarf an Investitionen wird voraussichtlich bis zu 85 Milliarden Euro betragen. Zudem werden bis zu 475.000 Pflegefachkräfte und Beschäftigte (Vollkräfte) gebraucht. Bereits heute jedoch ist die Zahl der gemeldeten offenen Stellen auf einem historischen Höchststand. Die Autoren der Studie „Pflegeheim Rating Report 2017“ von Deloitte, RWI und hcb GmbH  schlagen deshalb Alarm: Die Politik müsse die Rahmenbedingungen dem analysierten Bedarf anpassen. Für den alle zwei Jahre erscheinenden Report wurden 432 Jahresabschlüsse ausgewertet, die insgesamt 2.050 Pflegeheime umfassen. Zudem berücksichtigt der Report amtliche Daten des Statistischen Bundesamts von allen rund 13.600 Pflegeheimen und 13.300 ambulanten Diensten.

»Diese enorme gesellschaftliche Herausforderung verlangt nach einem ganzheitlichen Maßnahmenpaket. Dazu gehören die Stärkung der ambulanten Pflege, die Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufs, der Abbau von Bürokratie, der Einsatz von mehr Kapital und insbesondere die konsequente Nutzung von Digitalisierung und Technologie«, sagt Dr. Sebastian Krolop, Partner und Leiter Life Sciences und Health Care bei Deloitte.

Pflegemarkt durch Technologie entlasten

So steigt die Zahl der Pflegebedürftigen bereits jetzt stark an. Dabei hat sich der Neuzugänge im Pflegeheim, die direkt aus dem Krankenhaus überwiesen werden, innerhalb von zehn Jahren auf über 70 Prozent mehr als verdoppelt. Auch der Anteil der Pflegebedürftigen der leichtesten Stufe 1 in den Pflegeheimen nimmt kontinuierlich zu und ist von rund 30 Prozent auf mittlerweile 40 Prozent angestiegen. Beide Entwicklungen sind nach Ansicht der Studienautoren besorgniserregend. Durch Maßnahmen wie Reha vor Pflege, Kurzzeitpflege, Einbindung von Sozialdiensten und Einsatz von Technologie zum besseren Informationsaustausch oder im Rahmen von Ambient Assisted Living könnten viele dieser Heimbewohner in ihrem gewohnten Umfeld bleiben. Angehörige oder Betroffene sind in den akuten Situationen oft maßlos überfordert, hier wird von der Politik deutlich mehr erwartet.

Pflegemarkt wächst unaufhaltsam

Mit knapp 47 Milliarden Euro ist der Pflegemarkt der am stärksten wachsende Bereich im gesamten Gesundheitsmarkt. Die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime ist relativ gut. So betrug ihre durchschnittliche Ausfallwahrscheinlichkeit (Zahlungsunfähigkeit) 2015 nur 0,54 Prozent und lag damit deutlich unter der von Krankenhäusern. Lediglich zwei Prozent der analysierten Pflegeheime besaßen eine erhöhte Insolvenzgefahr und lagen deshalb im „roten Bereich“. Über 80 Prozent lagen im grünen Bereich mit geringer Insolvenzgefahr. Nur zehn Prozent der Pflegeeinrichtungen erwirtschafteten einen Jahresverlust, das durchschnittliche Heim erwirtschaftete 2015 ein EBITDAR (Betriebsergebnis vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen, Amortisation und Mieten) von 14 Prozent der Erlöse.

Kapitalreserven der SPV reichen bis 2022

Damit der Pflegeheimmarkt auch künftig attraktiv für privates Kapital sein wird, ist eine risikogerechte Verzinsung notwendig. Die Studienautoren raten der Politik daher dazu, gesetzliche Vorgaben auf ein Minimum zu beschränken. Überflüssig seien beispielsweise Vorgaben zur Heimgröße oder zum Anteil der Ein-Bett-Zimmer. Wichtig sei vor allem, dass Qualität gemessen werde und dass es ein ausreichend großes Angebot an Einrichtungen gebe. Außerdem muss die Politik nach Ansicht der Studienautoren eine langfristig stabile und nachhaltige Finanzierung der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) sicherstellen. Durch die Anhebung des Beitragssatzes 2015 und 2017 konnte die SPV ihre Einnahmen deutlich erhöhen, so dass bis 2016 die Kapitalreserven weiter ausgebaut wurden. „Durch die einhergehenden Leistungsausweitungen übertreffen aber bereits 2017 die Ausgaben die Einnahmen, so dass es zukünftig zu einem Abbau der Kapitalreserven kommt. Ohne Gelder aus dem Pflegefonds reichen die Kapitalreserven der SPV vermutlich noch bis etwa 2022“ Langfristig ist die SPV ohne Anpassungen nicht nachhaltig. Insofern sind sowohl Eingriffe an der Einnahmen- als auch an der Ausgabenseite nötig”, sagt Krolop. Der 170-seitige Pflegeheim Rating Report 2017 lässt sich für knapp 300 Euro online bestellen.