Virtuelle Notaufnahme im Medizinstudium erfolgreich

Was bringen Serious Games im Medizinstudium? Dieser Frage ist jetzt eine Studie zur Notaufnahme-Simulation EMERGE nachgegangen. Die Ergebnisse zeigen, dass zehn „spielerische“ Trainingseinheiten in der virtuellen Notaufnahme mindestens genauso effektiv sind wie zehn Stunden Kleingruppenunterricht.

Bereits seit Jahr 2011 arbeiten Ärzte und Experten für Medizindidaktik der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) an der Entwicklung eines Computerspiels: Mithilfe der Simulation EMERGE lassen sich die Abläufe auf einer Notaufnahme simulieren. Nun wurde die Notaufnahme-Simulation erstmals im Medizinstudium an der UMG eingesetzt. Gleichzeitig wurde untersucht, ob Studierende damit lernen, wie akute Krankheitssituationen behandelt werden.

„Dies ist eine der ersten Studien, die genau geprüft haben, ob ein Computerspiel im Studium wirklich einen Nutzen hat oder nur den Spaßfaktor erhöht“, sagt Prof. Dr. Tobias Raupach, Leiter des Bereichs Medizindidaktik und Ausbildungsforschung der UMG. Raupach hatte die Idee zu dem Lernspiel.

Digitales Training im Medizinstudium

Im Rahmen der jetzt veröffentlichten Studie konnten Studierende selbst wählen, ob sie sich verschiedene Erkrankungen in Kleingruppen mit bis zu fünf Kommilitonen erarbeiten oder ob sie das neue Computerspiel nutzen wollen. Später nahmen alle Studierenden an einer Prüfung teil. Hierbei wurde ihre Fähigkeit zum klinischen Denken untersucht. „Wir haben praktisch keinen Unterschied in den Leistungen der beiden Studiengruppen gefunden“, sagt Raupach. Für einige Inhalte, die mit dem Spiel trainiert wurden, war der Lernerfolg mit EMERGE sogar größer als nach der Arbeit in Kleingruppen. „Das ist bedeutsam, weil wir im Spiel in der gleichen Zeit eine viel größere Bandbreite von Erkrankungen darstellen können als im Kleingruppenunterricht“, erläutert Raupach.

Letztautor der Studie ist Dr. Nikolai Schuelper, Klinik für Hämatologie und Medizinische Onkologie der UMG. „Die Arbeit auf einer Notaufnahme ist anstrengend, weil hier unter Zeitdruck lebenswichtige Entscheidungen getroffen werden müssen. Das lässt sich in Vorlesungen oder Seminaren nicht gut trainieren“, sagt Schuelper. Doch andererseits könnten Studierende diese Situation auch nicht in einer echten Notaufnahme üben, da das für die Patienten gefährlich werden könne. „Da war es für uns ein logischer Schritt, ein Computerspiel zu entwerfen, in dem beide Aspekte – medizinische Entscheidungen und Zeitdruck – simuliert werden können.“

Diagnostik und Zeitdruck im Computerraum

Anstatt in der Notaufnahme eines Krankenhauses zu üben, sitzen die Studenten der Humanmedizin daher in einem Computerraum. Jeder der 50 Studierenden bewegt über die Maus eine Spielfigur durch eine dreidimensionale Darstellung einer Notaufnahme. In unregelmäßigen Abständen werden Patienten eingeliefert, so dass im Laufe der Zeit viele Patienten gleichzeitig behandelt werden müssen. Die Studierenden können bei ihren virtuellen Patienten eine Anamnese erheben und Untersuchungen anfordern.

„Uns war wichtig, dass die Simulation möglichst nah an der Realität liegt. Auch im Spiel muss man auf die Ergebnisse einer Laboruntersuchung warten, und die Medikamente haben einen direkten Einfluss auf den Herzschlag und den Blutdruck“, so Schuelper. „Wenn gravierende Fehler gemacht werden, kann das bis zum Tod des virtuellen Patienten führen. Obwohl es nur eine Simulation ist, nehmen die Studierenden ein solches Ereignis sehr ernst.“

Digitalisierung im Medizinstudium immer wichtiger

Simulationen und andere computergestützte Lehrangebote werden im Medizinstudium immer wichtiger. „Die Digitalisierung der Medizin ist schon weit fortgeschritten“, sagt Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie und Vorsitzender des Herzzentrums der UMG. Das fange bei der Smartphone-App zum Blutdruck-Monitoring an und gehe bis hin zu aufwendigen Computerspielen zur Simulation ganzer Krankenhaus-Stationen simuliert werden können.

„Es ist wichtig, die Ärztinnen und Ärzte von morgen auf diese Welt vorzubereiten. Also müssen sie sich schon im Studium damit auseinandersetzen“, betont Hasenfuß. Das Spiel wird unter anderem in einem sechswöchigen Lehrmodul zu Herz- und Lungenerkrankungen eingesetzt, das er zusammen mit dem Kardiologen Raupach leitet.

Auch der Studiendekan der Medizinischen Fakultät an der UMG, Prof. Dr. Lorenz Trümper, unterstützt den Einsatz digitaler Lehrformate im Studium: „Piloten trainieren schon lange in Simulatoren für den Notfall. Warum sollten nicht auch Studierende der Medizin ein solches Training erhalten?“ Hier dürften Fehler passieren, aus denen man lernen könne, damit man für die Versorgung echter Patienten besser gewappnet sei.