Smart Home für Senioren: Kaum Unterstützung für pflegende Angehörige

Smart-Home-Produkte können älteren Menschen helfen, trotz Einschränkungen weiterhin selbstbestimmt in ihren eigenen vier Wänden zu wohnen. Allerdings gibt es kaum Möglichkeiten für finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung solcher Lösungen. Zeitgemäß ist das längst nicht mehr.

Gastbeitrag von Peter Marwan

Wie sich qualitativ gute Pflege in Heimen sicherstellen lässt, wird in Politik und Gesellschaft heiß diskutiert. So wichtig die Diskussion auch ist: Überspitzt könnte man sagen, es handelt sich um ein Nischenthema. Denn die große Mehrheit der Pflegebedürftigen lebt gar nicht in Heimen, sondern zuhause oder bei Angehörigen. 2017 waren es der Hans-Böckler-Stiftung zufolge etwa 70 Prozent.

Die meisten von ihnen dürften damit zufrieden sein. Wie eine repräsentative Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zeigte, verbinden acht von zehn Bürgern in Deutschland unangenehme Vorstellungen mit dem Gedanken, im Alter in ein Pflegeheim ziehen zu müssen. Nur sechs Prozent der Bundesbürger können sich vorstellen, im Fall der Pflegebedürftigkeit freiwillig in eine Senioreneinrichtung zu gehen.

Allerdings ist für die Angehörigen die Pflege zuhause oft ein erheblicher Aufwand. Für die Betreuung wenden sie der im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung erstellten Studie zufolge im Durchschnitt knapp 50 Stunden pro Woche auf. Zur Unterstützung werden zahlreiche technische Geräte angeboten – von Treppenliften über Badewannenhilfen bis zu Pflegebetten. Auch die diversen Notrufsysteme, wie sie etwa das Deutsche Rote Kreuz, die Johanniter und die Malteser betreiben, helfen Pflegebedürftigen, weiter in der gewohnten Umgebung leben zu können

Angebot und Nachfrage sind da

Die Entwicklung im Smart-Home-Markt verspricht gerade für Personen mit geringem Pflegebedarf erhebliche Erleichterungen. Steuerbare Steckdosenleisten, Bewegungsmelder, vernetzte Kameras, Türöffner oder Jalousien sowie Sprachassistenten bieten zahlreiche Möglichkeiten. Die Akzeptanz dieser Produkte ist hoch. Laut einer von YouGov im Auftrag des eco-Verbands der Internetwirtschaft e. V. durchgeführten Umfrage sind 72 Prozent der Deutschen offen für Smart-Home-Produkte, die ihnen helfen, länger selbstständig zuhause zu wohnen. Beim „TK-Meinungspuls Pflege 2018“ gaben 90 Prozent der Befragten an, dass sie im Alter digitale Technologien nutzen würden. Dazu zählen zum Beispiel Sensoren, die registrieren, ob sie morgens aufgestanden sind oder feststellen, wenn sie stürzen.

Zahlreiche Unternehmen von Archos, D-Link und Gigaset über Bosch und Innogy (früher RWE) bis Mobilcom-Debitel und Vodafone bieten grundsätzlich entsprechende technische Möglichkeiten und Dienste an. Allerdings hat die Deutsche Telekom mit ihrem Angebot „Magenta Smart Home“ das Thema „Smart Home für Senioren“ am weitesten durchdacht. In dem Szenario kommen neben WLAN-Router und App zum Beispiel auch vernetzte Fenster- beziehungsweise Türkontakte, Bewegungsmelder für den Innenraum und Zwischenstecker zum Einsatz.

Angehörige erfahren etwa über den Bewegungsmelder im Flur, dass Eltern oder Großeltern aufgestanden sind. Ein vernetzter Türkontakt am Medikamentenschrank informiert, dass der geöffnet wurde. Pflegende Angehörige werden so auch während der Arbeit informiert und den Gepflegten werden nervige Kontrollanrufe erspart. Was für alle nach einem hohen Nutzen klingt, hat sich dennoch noch nicht richtig durchgesetzt.

Dem von Splendid Research erstellten „Smart Home Monitor 2017“ zufolge nutzten in Deutschland als Teil einer Smart-Home-Lösung lediglich 15,5 Prozent der Bürger Produkte im Bereich Gesundheit und „Ambient Assisted Living“ (AAL – Altersgerechte Assistenz zum selbstbestimmten Leben). Das könnte auch daran liegen, dass viele dieser Produkte noch vergleichsweise teuer oder die Deutschen in dem Punkt sparsam sind.

Den Ergebnissen der von eco-Verband und YouGov durchgeführten Umfrage zufolge dürfte der monatliche Betrag von Assistenzsystemen die Kosten von herkömmlichen Notrufsystemen (etwa 50 Euro pro Monat) nicht übersteigen. Lediglich 10 Prozent der Befragten würden monatlich bis zu 400 Euro für intelligente technische Assistenzsysteme ausgeben. Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sind der Ansicht, dass der monatliche Betrag für eine seniorengerechte Smart Home-Lösung unter den Kosten für die Basispflege durch einen mobilen Pflegedienst liegen muss. Das sind je nach Ausprägung und Region zwischen 500 und 1.000 Euro.

Grundlage für finanzielle Unterstützung fehlt

Obwohl die Akzeptanz hoch, der Nutzen für die Pflege unbestritten und das Einsparpotenzial erheblich ist, fehlt derzeit noch die Grundlage für eine finanzielle Unterstützung durch die Kassen. Grundsätzlich können Pflegebedürftige ab Pflegegrad 1 finanzielle Hilfen der Pflegekasse bei der Anpassung ihrer Wohnung an den Pflegebedarf erhalten. Allerdings gehört es bei der Hilfsmittelversorgung nicht zu den gesetzlich geregelten Aufgaben der Kranken- oder Pflegekassen, Gegenstände zu finanzieren, die zum allgemeinen Lebensbedarf oder zu den Kosten der normalen Lebenshaltung gehören. Smart-Home-Technologie wird allerdings dazu gerechnet. Eine Kostenübernahme ist damit in den meisten Fällen nicht möglich.

„Smart-Home-Equipment ist aktuell kein Gegenstand des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung oder der sozialen Pflegeversicherung“, teilt etwa die Barmer auf Anfrage von mednic mit. Es sei durchaus das Bestreben der Kranken- und Pflegekassen, älter werdenden Menschen ein möglichst langes selbständiges Leben im eigenen Umfeld zu ermöglichen und dafür werde auch einiges getan. Dass Smart-Home-Technologie aktuell aus diesem Rahmen herausfällt, liege weniger an ihrem konkreten Nutzen, als vielmehr an fehlenden Rahmenbedingungen: „Es sind von der Politik Regelungen insbesondere zur Qualität, Haftung und Finanzierung notwendig. Zurzeit fehlt eine gesetzliche Grundlage für die Kostenübernahme durch die Kranken- oder Pflegekassen. Solange dies sich nicht ändert, bleiben solche neuen Technologien gewissermaßen Privatsache“, so die Barmer weiter.

Die AOK gibt sich etwas diplomatischer: „Bei der Kostenerstattung für Hilfsmittel kommt es letztlich immer auf den jeweiligen Einzelfall an. Eine Aussage zu der Frage, ob die Kosten für Sprachassistenz oder andere Systeme aus dem Bereich Smart Home von den Kassen übernommen werden, ist insofern nicht pauschal möglich. Grundsätzlich ist jedoch zu sagen, dass nicht jedes Produkt, das für den Versicherten einen gewissen Nutzen hat, ein Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel im sozialrechtlichen Sinne ist.“

Aber auch der AOK-Bundesverband betont auf Anfrage von mednic, dass es bei der Hilfsmittelversorgung „nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen oder Pflegekassen gehört, Gegenstände zu finanzieren, die zum allgemeinen Lebensbedarf oder zu den Kosten der normalen Lebenshaltung gehören.“ Smart-Home-Produkte dürften jedoch den Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zuzuordnen sein und gelten insofern nicht als Hilfsmittel.

Nicht der Nutzen, sondern der Gesetzgeber entscheidet

Darüber, welche Hilfsmittel durch die Krankenkassen zu finanzieren sind, entscheide alleine die Zweckbestimmung des Produktes. Die AOK teilt mit: „Ein Gegenstand, mag er auch einem kranken beziehungsweise behinderten Menschen in hohem Maße helfen, ist nicht als Hilfsmittel durch Krankenkassen zu finanzieren, wenn er bereits von seiner Konzeption her nicht vorwiegend für kranke, behinderte und/oder pflegebedürftige Menschen gedacht ist. Produkte, die für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelt und hergestellt worden sind und von diesem Personenkreis ausschließlich oder ganz überwiegend genutzt werden, sind hingegen nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen. Das gilt selbst dann, wenn sie millionenfach verbreitet sind (z.B. Hörgeräte).“

Die AOK weist darauf hin, dass sich diese Abgrenzungskriterien aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ableiten. Ein starkes, wenngleich nicht abschließendes Indiz, dass Krankenkassen die Kosten für Hilfsmittel unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen können, sei die Aufnahme in das vom GKV-Spitzenverband geführte Hilfsmittelverzeichnis. Hersteller von Smart-Home-Produkten haben die Möglichkeit, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Von der Pflegeversicherung können generell finanzielle Zuschüsse bis zu 4.000 Euro für Maßnahmen gewährt werden, die zu einer Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes eines Pflegebedürftigen beitragen. Zuschüsse kann es geben, wenn dadurch die häusliche Pflege überhaupt erst ermöglicht wird, sie erheblich erleichtert und damit eine Überforderung der von Pflegebedürftigen und Pflegenden verhindert, oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt und die Abhängigkeit von personeller Hilfe verringert wird.

Zuschüsse für spezielle Produktgruppen oder Smart-Home-Produkte gibt es nicht. Allerdings ist durchaus denkbar, dass Smart-Home-Produkte als Teil einer Gesamtmaßnahme eingesetzt werden, mit der die oben beschriebenen Ziele erreicht werden. Wenn das klar und nachvollziehbar dargelegt wird „kann die Maßnahme mit einem Kostenvoranschlag bei der Pflegekasse beantragt werden“, macht die AOK Mut. Voraussetzung für die Zahlung eines Zuschusses ist jedoch mindestens Pflegegrad 1.

Auch die TK versichert gegenüber mednic, dass sie großes Interesse habe, dass Menschen mit Pflegebedarf so lange wie möglich und möglichst unabhängig im eigenen Zuhause leben können. Sie verweist dazu auf Ergebnisse einer von ihr initiierten Umfrage, wonach genau das auch der Wunsch der Versicherten ist „Darüber hinaus sind wir davon überzeugt, dass die Digitalisierung im Bereich Pflege viele Möglichkeiten bietet, diese Selbständigkeit zu unterstützen, Angehörige zu entlasten und letztlich auch für die Solidargemeinschaft Kosten zu sparen. Denn eine stationäre Unterbringung ist in der Regel teurer als Unterstützung zu Hause“, so ein TK-Sprecher.

Erste Forderungen nach einem Wandel

Allerdings grenzten die gesetzlichen Vorgaben klar ab, welche Leistungen die Pflegeversicherung abdecken kann. Im Bereich der „wohnumfeldverbessernden Maßnahmen“ seien etwa Zuschüsse zum barrierefreien Umbau der Dusche möglich.„Wir setzen uns dafür ein, dass in diesem Rahmen auch Smart-Home-Lösungen berücksichtigt werden, die eine längere Selbständigkeit ermöglichen – bislang ist das nicht der Fall“, so die Kasse weiter. Ihre Position dazu hat sie bereits im Frühjahr 2018 in einem ausführlichen Papier zusammengefasst.

Darin bedauert die TK, dass Smart-Home-Lösungen nicht im Leistungskatalog der Pflegversicherung berücksichtigt sind und fordert, dass er entsprechend erweitert wird. „Die Leistungen für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen sollten im Bereich der technischen Hilfen im Haushalt auch für technische Assistenz- und Überwachungssysteme eingesetzt werden dürfen, die dazu beitragen, länger in den eigenen Vier-Wänden zu verbleiben und die Angehörigen entlasten“, so die TK.

Ebenso wie der AOK-Bundesverband verweist auch die TK darauf, dass Gebrauchsgegenstände grundsätzlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherungund der sozialen Pflegeversicherung ausgeschlossen sind. „Das heißt, wir dürften für so ein Produkt auch keine Kostenübernehmen, wenn deren Nutzung im Einzelfall für den Patienten einen gesundheitlichen oder pflegerischen Nutzen bringen würde“, so der TK-Sprecher gegenüber mednic.

Über den Autor:

Peter Marwan ist Redakteur bei der IT-Fachhandelszeitschrift ChannelPartner.de und freier Journalist in München.