Mehr als hunderttausend Menschen, die jedes Jahr allein in Deutschland einen Schlaganfall erleiden, können trotz neurologischer Rehabilitationsmaßnahmen ihre betroffene Hand auch dauerhaft nicht wieder im täglichen Leben einsetzen. Der Bedarf an effektiven Therapiemöglichkeiten ist daher groß. Tübinger Wissenschaftler haben eine neue Technologie entwickelt, die ungenutzte Nervenbahnen vom Gehirn zur Hand aktiviert. Sie könnte insbesondere für Schlaganfallpatienten mit schwerwiegenden Lähmungen von Bedeutung sein.
Das Forscherteam um den Tübinger Neurochirurgen Professor Alireza Gharabaghi kombiniert dazu zwei vielversprechende Ansätze, die ganz ohne operativen Eingriff durchgeführt werden können: Zum einen sind das Neuroroboter für die Rehabilitation, sogenannten Gehirn-Maschine-Schnittstellen (Brain-Machine Interface, BMI), die durch Hirnsignale gesteuert auch eine gelähmte Hand öffnen und schließen können, wenn sich der Teilnehmer die entsprechende Bewegung vorstellt. Zum anderen kann die transkranielle magnetische Stimulation (TMS) zur nichtinvasiven Aktivierung genau der Hirnregionen, die für diese Bewegungen zuständig sind, eingesetzt werden.
Effektive Kombination
Vorangehende Tübinger Forschungsergebnisse konnten bereits belegen, dass jeder der beiden Ansätze, getrennt voneinander eingesetzt, die Effektivität von Nervenbahnen zur Hand verbessern kann. Das Forscherteam hat jetzt nachgewiesen, dass die Kombination dieser beiden Methoden auch bisher ungenutzte Nervenbahnen aktiviert. Das gelingt den Wissenschaftlern zufolge jedoch nur, wenn BMI und TMS gleichzeitig angewendet werden und die Studienteilnehmer sich währenddessen die entsprechende Handbewegung auch vorstellen.
Größere Studie geplant
Diese jetzt im Wissenschaftsmagazin Journal of Neuroscience veröffentlichten Befunde sind vor allem für Patienten von Bedeutung, deren Handfunktion vollständig ausgefallen ist. Erste Anwendungen bei diesen schwer betroffenen Patienten haben die Ergebnisse bereits bestätigt. Unterstützt von der Baden-Württemberg Stiftung soll nun die Wirksamkeit dieser neuen Therapieform in einer größeren Studie des Universitätsklinikums Tübingen untersucht werden.