Das Einsetzen von Hüftimplantaten stellt hohe Anforderungen an Chirurgen. Um diese Eingriffe praxisnah trainieren zu können, entwickeln Wissenschaftler jetzt einen Hüftimplantatsimulator.
Die weltweit steigende Zahl älterer Menschen führt zu einem Anstieg an Hüftimplantationen und anderen Gelenkersatzoperationen. Dadurch wächst auch der Bedarf an gut ausgebildeten orthopädischen Chirurgen, doch das praxisnahe Training dieser Operationen ist sehr schwierig umsetzbar.
Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz und der Universität Bremen entwickeln daher im Projekt „Dynamic HIPS“, das Angang Mai 2020 gestartet ist, einen dynamischen Hüftimplantatsimulator. Er soll den jungen Medizinern für Übungen zur Verfügung stehen und ein realistisches Gefühl für den Eingriff vermitteln.
Im Fokus stehen dabei drei besonders kritische Operationsschritte: das Abtrennen des Hüftgelenkkopfs, das Ausschaben des Oberschenkelknochens und die Implantation des Kunstgelenks. „Die angehenden Chirurgen erhalten durch das System die Möglichkeit, bereits vor ihrer ersten realen OP ein großes Erfahrungswissen zu sammeln“, erklärt Professor Gabriel Zachmann vom Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen. Auch erfahrene Chirurgen sollen von dem Trainingssimulator profitieren, etwa durch das Trainieren von komplizierten, selten durchgeführten Eingriffen.
Sinneswahrnehmungen wie bei realer OP
Operationen werden zur Schonung des Patienten oft in möglichst kleinen Operationsöffnungen durchgeführt. „Dadurch operiert der Chirurg sehr stark nach Gefühl“, erläutert Mario Lorenz von der Professur für Werkzeugmaschinenkonstruktion und Umformtechnik an der TU Chemnitz. „Bei Operationen wie dem Einsatz einer Hüftprothese sind gleichzeitig auch manuelle Tätigkeiten mit hohen Kräften erforderlich. Für den Erfolg der OP ist es sehr wichtig, diese Tätigkeiten so präzise wie möglich auszuführen. Bis jetzt fehlt es aber an Trainingsgeräten, die den Chirurgen genau die gleichen Sinneswahrnehmungen vermitteln können, die sie auch bei einer realen Operation spüren würden, zum Beispiel den Widerstand des Knochens beim Sägen und Ausschaben.“
Das Projekt Dynamic HIPS hat sich daher mehrere Ziele gesetzt, die es ermöglichen, die benötigten Trainingsgeräte zu entwickeln. Die Forscher wollen die Kräfte, Drehmomente und Geschwindigkeiten bestimmen, die bei den drei zu simulierenden Operationsschritten auftreten. Auf dieser Basis wollen sie einen Roboterarm und bestehende Haptikgeräte – das sind Geräte, die realistische Sinneswahrnehmungen vermitteln können – weiterentwickeln. Ebenfalls wichtig ist die Schaffung eines mathematischen Modells, das die Widerstände und den Materialabtrag am Knochen simuliert. Diese Informationen müssen innerhalb einer Millisekunde an den Roboter übermittelt werden, um den Chirurgen ein realistisches Gefühl zu vermitteln.
Experten weltweit hinzu schalten
Ein zweites Bündel an Zielen befasst sich mit der VR-Technologie, die das gemeinsame Training über große Distanzen hinweg ermöglicht („Remote-Training“). Mit Hilfe eines Multi-User-Systems können erfahrene Chirurgen ihre medizinische Expertise an auszubildende Chirurgen weitergeben, ohne selbst vor Ort zu sein. Diese Funktionalität erleichtert nicht nur den Transfer von medizinischer Expertise in Schwellen- und Entwicklungsländer, sondern dient auch dem Erkenntnisaustausch zwischen erfahrenen Chirurgen.
Gefördert wird das dreijährige Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit über zwei Millionen Euro.