Milliarden-Schaden wegen fehlender Digitalexperten

Medizintechnik im Krankenzimmer
Digitale Medizintechnik im Krankenzimmer: „Die Unternehmen müssen dringend eingetretene Pfade verlassen, wenn sie ihren Bedarf an digitalen Fachkräften decken wollen“ (Foto: © iakovenko/123rf.com)

Eine aktuelle Kienbaum-Studie zeigt: Die deutsche Medizintechnik-Industrie leidet bereits massiv unter einem Mangel an digitalen Fachkräften. Das Wachstum wird dadurch gebremst und der Umsatzzuwachs wird um knapp drei Milliarden Euro vermindert.

Die vom Industrieverband Spectaris und der Unternehmensberatung Kienbaum veröffentlichte Studie „Digitale Jobs@Medizintechnik“ legt offen, wie dramatisch sich der Fachkräftemangel bereits heute in der deutschen Medizintechnik-Industrie auswirkt. 

Die detaillierte Befragung von mehr als 80 Teilnehmern zumeist aus der Geschäftsführung und der Abteilung Human Resources verdeutlicht das Wachstumshemmnis der Unternehmen aufgrund des Mangels an digitalen Experten: Die Hälfte der Befragten geht davon aus, dass ihr Unternehmen um bis zu zehn Prozent wachsen könnte, wenn sich der Bedarf an digitalen Experten ausreichend decken ließe. Legt man den Gesamtumsatz von 33,4 Milliarden Euro der Medizintechnik aus dem Vor-Corona-Jahr 2019 zugrunde, dann hätte dieser den Schätzungen zufolge um knapp drei Milliarden Euro höher ausfallen können.

Weiterbildung bestehender Mitarbeiter

Der Bedarf an Fach- und Führungskräften, die durch ihre Qualifikation die Digitalisierung im Unternehmen voranbringen, steigt zunehmend und kann derzeit bei einem Drittel der befragten Unternehmen nicht vom Arbeitsmarkt gedeckt werden. Die Studie zeigt auf, dass der Unternehmenserfolg nachhaltig negativ beeinflusst wird, wenn es nicht gelingt, sich besser auf die bestehenden Herausforderungen mit sich verändernden Berufsbildern und neuen Anforderungen an Fachkräfte einzustellen. Alexander Mischner, Practice Head MedTech/Life Sciences bei Kienbaum, betont: „Die Unternehmen müssen dringend eingetretene Pfade verlassen, wenn sie ihren Bedarf an digitalen Fachkräften heute und in Zukunft decken wollen. Zum Beispiel wird die Weiterbildung bestehender Mitarbeiter in Punkto digitale Kompetenzen künftig viel stärker in den Fokus rücken müssen, wenn externe Jobmärkte `leergefischt` sind.“

Wachstum wird ausgebremst

Der Handlungsdruck ist schon heute enorm, denn knapp 70 Prozent der Unternehmen sehen sich nicht gut gerüstet für diese Transformation, obwohl mehr als 85 Prozent der Digitalisierung eine hohe bis sehr hohe Bedeutung für den zukünftigen Unternehmenserfolg zusprechen. Mehr als drei Viertel der Studienteilnehmer sehen in der ausreichenden Versorgung mit digitalen Experten einen klaren Wachstumstreiber: Neben der Hälfte der Befragten, die glauben, dass ihr Unternehmen mit größerer digitaler Expertise um bis zu zehn Prozent wachsen könne, glauben über ein Viertel der Befragten in diesem Fall gar an ein Wachstum von bis zu 20 Prozent.

Durch die Digitalisierung können der Untersuchung zufolge neue Arbeitsplätze entstehen: Beinahe die Hälfte der befragten Unternehmen erwartet durch die Digitalisierung insgesamt einen Nettobeschäftigungs-Zuwachs: „Auch das ist einer der Kernbefunde der Studie, der die enormen Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung unterstreicht. Die Job-Perspektive in der Medizintechnik ist hervorragend, die Unternehmen sind durch ihre vielen Berufschancen zu äußerst attraktiven Arbeitgebern geworden. Wenn die Branche diese Stärke ausspielt, wird sie im Kampf um Talente und Fachkräfte bestehen“, prognostiziert Dr. Martin Leonhard, Vorsitzender der Medizintechnik bei Spectaris.

Recruiting wird immer wichtiger

Bisher suchten etwa 85 Prozent der Unternehmen kaum im Ausland nach Mitarbeitern, das werden sie in den kommenden Jahren jedoch ändern. Zwei Drittel der Befragten messen auch dem „lebenslangen Lernen“ und der beruflichen Weiterbildung ihrer jetzigen Mitarbeiter eine mindestens so große Bedeutung zu. Der Stellenwert von Human Resources in Unternehmen wird sich dadurch weiter erhöhen.

Digitale Transformation vorantreiben

Leonhard betont, dass die Probleme nicht neu sind: „Spectaris hat bereits 2018 nach einer gemeinsamen Erhebung mit der Unternehmensberatung Roland Berger gemahnt, dass die Unternehmen in der Medizintechnik unterdurchschnittlich in die Digitalisierung investieren. Die aktuelle Studie untersucht konkret die Herausforderung des Fachkräftemangels und stellt heraus, wie man diesem erfolgreich begegnen kann. Die Medizintechnik muss dieses Potenzial erkennen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen, um die digitale Transformation zum Wohle der Branche voranzutreiben.“

Zur Studie „Digitale Jobs@Medizintechnik“ auf der Spectaris-Website