Fernbehandlung: Weitere Schritte müssen folgen

Mit großer Mehrheit hat der 121. Deutsche Ärztetag eine Lockerung des Fernbehandlungsverbots beschlossen. Damit ist eine Hürde zur breiten Nutzung digitaler Anwendungen und vor allem der Telemedizin gefallen. Verbände sehen die Entwicklung positiv, fordern allerdings auch, dass es darüber hinaus noch weitere Schritte geben muss.

Laut dem geänderten § 7 Absatz 4 der (Muster-)Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte ist künftig „eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird.“ Neben Baden-Württemberg hatte auch bereits die Landesärztekammer Schleswig-Holstein im Vorfeld des Ärztetages den Weg für ärztliche Fernbehandlung freigemacht.

Verbände begrüßen Lockerung des Fernbehandlungsverbots

Der bvitg begrüßt die Entscheidung des Deutschen Ärztetagesausdrücklich. Telemedizin habe das Potential sowohl bei der Versorgung in ländlichen Gebieten zu unterstützen als auch einer Überlastung von Notaufnahmen und Kliniken entgegenzuwirken. „Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots war längst überfällig. Telemedizinische Anwendungen und Onlinekonsultation von Ärztinnen und Ärzten ermöglichen im Zuge des demographischen Wandels eine flächendeckende, sektorübergreifende Gesundheitsversorgung.“, sagt Sebastian Zilch, Geschäftsführer vom Bundesverband Gesundheits-IT – bvitge.V.. Die digitale Realität, die in anderen Bereichen bereits zum Alltag gehöre, könne so auch in die Versorgung Einzug halten. Damit telemedizinische Leistungen so schnell wie möglich integraler Bestandteil der Versorgung werden, gilt es nach Ansicht des Verbandes nun finanzielle Anreize zur Nutzung zu schaffen. „Ein Verbot zu lockern reicht alleine nicht aus, ist aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, so Zilch.

Bitkom-Präsident Achim Berg sieht in der Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung einen richtigen Schritt zu mehr Gesundheit für alle. Die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Medizin müssen seiner Ansicht nach noch stärker genutzt werden. „Wir sehen es sehr positiv, dass die Onlinesprechstunde so breitere Anwendung – auch in der Erstbehandlung durch einen Arzt – finden kann. Gerade für Patienten, die auf dem Land wohnen oder mobil eingeschränkt sind, ist die Onlinesprechstunde eine hervorragende Alternative zum Praxisbesuch und kann vorhandene Versorgungslücken schließen“, so Berg. Die Versorgung könne dadurch effektiv verbessert werden. Gute Vorbilder dafür gebe es bereits in anderen Ländern wie etwa der Schweiz. „Jetzt müssen weitere Schritte gegangen werden: die Einführung des elektronischen Rezepts und die Abschaffung des Fernverschreibungsverbots“, fordert Berg.

Kapitalorientierte Konkurrenz  verhindern

Im Rahmen seiner Entscheidung betonte der Ärztetag, dass Beratungen und Behandlungen aus der Ferne in die bestehenden Versorgungsstrukturen eingebunden werden müssen. In diesem Zusammenhang sprachen sich die Abgeordneten des Ärztetages gegen den Aufbau eines neuen eigenständigen Versorgungsbereichs einer telemedizinischen Primärversorgung aus, insbesondere in Form kommerziell betriebener Callcenter. Außerdem dürfe Fernbehandlung im vertragsärztlichen Sektor nur durch Vertragsärzte im Rahmen des Sicherstellungsauftrags erfolgen. „Kapitalorientierte Gesellschaften dürfen im vertragsärztlichen Sektor nicht in Konkurrenz zu Vertragsärzten treten oder gar Betreibereigenschaften für medizinische Versorgungszentren erhalten“, heißt es.

Spahn für Lockerung des Fernbehandlungsverbots

Auch BundesgesundheitsministerJens Spahn hatte sich auf dem Ärztetag für eine Lockerung des Fernbehandlungsverbot stark gemacht. „Ich möchte, dass wir die Digitalisierung des Gesundheitswesens hier in Deutschland mit unseren Qualitätsstandards und unseren Anforderungen vorantreiben“, so Spahn. Richtig gemacht, können telemedizinische Behandlungen seiner Einschätzung nach eine gute Ergänzung der ärztlichen Tätigkeit sein. Deutschland sollte bei der Telemedizin nicht warten, bis Google, Apple oder Amazon damit auf den deutschen Markt kommen.