Künstlicher Darm für weniger Tierversuche

Ein neues Projekt an der Hochschule Kaiserslautern will organähnlichen Strukturen entwickeln, die viele Tierversuche in der medizinischen Forschung überflüssig machen könnten. (Foto: HSKL/Lukas Mohr)

Für weniger Tierversuche bei medizinischen Forschungen will ein neues Projekt sorgen, das im April 2020 an der Hochschule Kaiserslautern startet. Ziel ist die Entwicklung von organähnlichen Strukturen mittels 3D-Drucktechnik.

Durch die Züchtung funktionsfähiger Organe im Labor könnte man Tests an Lebewesen bei medizinischen Forschungen deutlich reduzieren oder sogar komplett darauf verzichten. Diesen Ansatz verfolgt das Projekt „Tissue Engineering von Geweben in komplexen Hydrogelen mittels dreidimensionaler elektrischer und magnetischer Stimulation“ der Hochschule Kaiserslautern. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Projekt mit einer Million Euro.

Stress für die Zellen

Das Tissue Engineering (Gewebekonstruktion oder Gewebezüchtung) von voll funktionsfähigen komplexen Geweben und Organen gilt als eine Herausforderung der Regenerativen Medizin. Mit 3D-Drucktechniken ist es bereits heute möglich Strukturen zu generieren, die zumindest morphologisch denen von Organen ähneln. Dabei lassen sich Zellen und Biomaterialien kombinieren und Schicht für Schicht drucken, um biomedizinische Teile herzustellen. Diese Teile haben die gleichen Eigenschaften wie natürliches Gewebe. Der Nachteil: Der Druckprozess setzt die Zellen einem enormen Stress aus, viele überleben die Prozedur nicht. Hier setzt das neue Projekt an.

Schonender Ansatz

„In unserem Projekt wird ein zellschonenderer Ansatz verfolgt, mit dem das Zellwachstum unter Einwirkung von magnetischen und elektrischen Feldern gezielt beeinflusst wird“, sagt Prof. Monika Saumer vom Standort Zweibrücken der Hochschule Kaiserslautern, die zusammen mit insgesamt neun Arbeitsgruppen an dem Projekt beteiligt ist. Die Forscher wollen ein mikro-elektro-mechanisches System (MEMS) entwickeln, in dem durch die Kombination von Mikro- und Nanobauteilen komplexe dreidimensionale Gleich- und Wechselfelder in unterschiedlichen Stärken generiert werden und auf die Zellen einwirken können.

„Wir bringen ein Hydrogel, ein gelatineähnliches Produkt, mit lebenden Zellen in einen Container ein. Die elektrischen und magnetischen Felder, die wir für die Wachstumssteuerung der Zellen verwenden, kommen auch in der Natur vor. Unser Ziel ist es, dass die eingesetzten Nerven- und Muskelzellen, beziehungsweise deren Vorläuferzellen, histologisch korrekt orientiert und zu einer funktionsfähigen Gewebeeinheit zusammenwachsen“, so Prof. Saumer. Aus der Literatur und eigenen Arbeiten kennen die Forscher die Größenordnungen von elektrischen und magnetischen Feldern, die eine Auswirkung auf das Zellwachstum haben. „Nun müssen wir noch die ideale Kombination von Signalstärke und Frequenz herausfinden“, erklärt Saumer. 

Künstlicher Darm in fünf Jahren

So wollen die Forscher ein funktionsfähiges Stück Darm entwickeln, das für Medikamententests oder für die Erforschung der Wirkungen von Nährstoffen benutzt werden kann. Auf diese Weise sollen Tierversuche sollen so reduziert oder sogar unnötig werden. „Wir können vielleicht in fünf Jahren soweit sein, dass erste Medikamententests möglich werden“, so die Hoffnung von Prof. Saumer. Bereits jetzt sind am Projekt zwei Firmen aus dem Pharma-Sektor beteiligt. Auch einen Einsatz des Darms als Ersatzgewebe eines erkrankten oder fehlenden Darmabschnitts beim Menschen ist nach Ansicht der Forscherin auf längere Sicht möglich.