KI erobert die medizinische Versorgung

Im Mittelpunkt des diesjährigen Symposiums der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) stand das Thema „Künstliche Intelligenz und die Zukunft der medizinischen Versorgung“. Ziel der Veranstaltung war es, den aktuellen Stand und die weiteren Perspektiven des Einsatzes von Methoden der Künstlichen Intelligenz in der medizinischen Versorgung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu beleuchten.

Revolutioniert die künstliche Intelligenz unser Gesundheitssystem? Um diese Frage kreiste das diesjährige GRPG-Symposium in Berlin. Am Symposiumstag wurden die Anwendungen der künstlichen Intelligenz im Gesundheitswesen intensiv beleuchtet. Reinhard Karger vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) stellte dabei klar, dass es sich bei allen derzeitigen Anwendungen der künstlichen Intelligenz um sogenannte „Schwache KI“ handelt, also um Systeme, die Prozesse und Methoden unterstützen und besonders in der Mustererkennung auf Basis großer Datenmengen überzeugen. „Starke KI“ – das wären Systeme, die Zusammenhänge „verstehen“ oder Ansätze von „Bewusstsein“ entwickeln – seien nach wie vor Science-Fiction. KI kann laut Karger den Menschen immer nur konstruktiv unterstützen, jedoch nicht kreativ ersetzen.

KI hat noch Schwächen

Aber auch bei den Anwendungen der schwachen KI stehen wir noch am Anfang. Zweifellos bergen sie ein großes Potenzial hinsichtlich physischer oder kognitiven Assistenzfunktionen. Dazu gehören die Diagnoseunterstützung für Ärzte, das Verschlanken von Abläufen in Unternehmen, die Entlastung von monotonen Arbeitsroutinen und vieles mehr. Eine ganz entscheidende Schwäche hat die KI allerdings: Menschen können komplizierte Fragestellungen bewältigen, indem sie größere Mengen von Daten auswerten, aber sie reduzieren die Komplexität schon im Vorfeld äußerst erfolgreich – durch ihren gesunden Menschenverstand. Dazu ist eine KI naturgemäß nicht in der Lage.

Herausforderung Datenqualität

Künstliche Intelligenz ist heute dennoch bereits in vielen Bereichen im Gesundheitswesen erfolgreich im Einsatz, was der Referent Professor Dr. Arno Elmer ausführte. Neben den allgemein bekannten Anwendungen wie Schach spielende Roboter und selbstfahrende Autos laufen auch im Gesundheitswesen bereits spannende Anwendungen im Routinebetrieb. So werden etwa Ärzte durch Handlungsempfehlungen bei Krebstherapien und bei der Auswertung von Bilddaten unterstützt. Allerdings ist es bei allen Chancen für den Einsatz von KI in der Medizin extrem wichtig, die Parameter, die den Systemen als Grundlage für Vorschläge dienen, gut zu kontrollieren: Die richtigen Daten müssen in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen, sonst kann es zu fatalen Fehlern kommen. Das Potenzial der KI für die Medizin sei allerdings so groß, dass es sich unbedingt lohne, diese Herausforderung anzunehmen.

Offene rechtliche Fragen

Grundsätzlich schätzen auch die Krankenkassen KI zur Unterstützung von Ärzten und Patienten, insbesondere was die Beschleunigung von Geschäfts- und Entscheidungsprozessen angeht, berichtete Martin Litsch vom AOK Bundesverband. Allerdings gibt es noch eine Menge offene rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-basierten Entscheidungen, die von Experten geprüft werden müssten. Letztlich hält auch Litsch eine ethische Debatte für unabdingbar. Dabei müssen Fragen des Datenschutzes ebenso berücksichtigt werden wie die Interessen der Patienten. So wäre zu diskutieren, wie etwa das Recht auf Nichtwissen eigener Krankheitsrisiken gewährleistet werden kann.

Tatsächlich sind Verfahren zur ethischen Bewertung des Einsatzes von KI in der Medizin in der Entwicklung – schon seit den 1990er Jahren, als die ersten medizinischen Expertensysteme eingesetzt wurden. Die Fortschritte auf dem Gebiet selbstlernender KI-Systeme bringt hier neue Dynamik in die Diskussion. Georg Marckmann von der LMU München stellte ein Verfahren zur systematischen ethischen Bewertung von KI-Anwendungen vor, das dabei gute Dienste leisten könnte. Wichtig ist, dass jede KI-Anwendung individuell beurteilt werden muss. Nur wenn der tatsächliche Bedarf einer Entscheidungsunterstützung nachgewiesen ist und die Algorithmen sowie ihre Datengrundlage hinreichend transparent sind, kann eine ethische Empfehlung erfolgen.

KI in der personalisierten Medizin

Schließlich kamen auch Industrie-Vertreter zu Wort: Anna Bauer-Mehren von Roche berichtete über vielversprechende Einsätze von KI in der personalisierten Medizin. Bei klinischen Studien ermöglicht KI, reale Patientendaten in die Referenzgruppen einzubeziehen. Damit werden die Studien aufgrund der besseren Datengrundlage sicherer und Zulassungsverfahren werden beschleunigt. Auch hier ist die Qualität der Daten entscheidend, sie müssen leicht verfügbar, interoperabel und wiederverwendbar sein.

Messdaten von über 4.000 Institutionen

Michael Meyer berichtete über eine bisher einzigartige Initiative bei Siemens Healthineers: Mit Hilfe einer Interoperabilitätsplattform werden weltweit Messdaten von über 4.000 Institutionen zusammengeführt. Ziel ist es, Dienstleistungen wie die Wartung hochempfindlicher Geräte zu optimieren und Messdaten einer größeren Community zur Verfügung zu stellen, was wiederum die Ärzte bei ihren Diagnosen besser unterstützt – diese werden sicherer und können besser auf den individuellen Patienten abgestimmt werden. Siemens steckt außerdem viel Energie in die Entwicklung von „digital twins“ der Patienten, mit denen man Behandlungen individuell anpassen und vor dem Einsatz prüfen könnte.

Die Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) ist ein gemeinnütziger Verein, der 1994 gegründet wurde und den interdisziplinären Austausch und die wissenschaftliche Auseinandersetzung auf den Gebieten der Gesundheitsversorgung, des Sozialrechts und der Sozialpolitik in Deutschland zum Ziel hat. Die rund 300 Mitglieder zählende Gesellschaft versteht sich als neutrale Plattform.