mednic-Gastautor Stanislav Appelganz sieht das Krankenhauszukunftsgesetz trotz laut gewordener Kritik als eine aussichtsreiche Gelegenheit an, bei der Digitalisierung im europäischen Maßstab aufzuholen. Er betont: Auch komplexe KHZG-Projekte können sehr wohl gelingen!
Von Stanislav Appelganz, Head of Business Development / Consulting & Smart Customer Solutions bei WaveAccess
Trotz einiger kritischer Stimmen schafft das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG), das vor einem Jahr in Kraft trat, eine Gelegenheit für Deutschlands Krankenhäuser, dringend notwendige Maßnahmen in Richtung Digitalisierung anzugehen. Noch bis Ende dieses Jahres können Förderanträge gestellt werden. Insgesamt stehen dafür über 4,3 Milliarden Euro bereit. Eine aktuelle Untersuchung der Hochschule Osnabrück, die von WaveAccess unterstützt wurde, zeigt, dass die überwiegende Mehrheit der Einrichtungen davon Gebrauch machen möchte oder dies bereits getan hat. Mit einer nachhaltigen Digitalisierungsstrategie und geeigneten Partnern für die Implementierung können auch ambitionierte Vorhaben trotz Fachkräftemangel und hoher Komplexität gelingen.
Fast alle Krankenhäuser setzen auf die Förderung
Deutschlands Krankenhäusern bleibt also noch bis Ende des Jahres Zeit, von den 4,3 Milliarden an Fördermitteln für dringend notwendige Digitalisierungsmaßnahmen zu profitieren. Dabei haben die Einrichtungen fast ausnahmslos die Chancen der Förderung erkannt: 98 Prozent der von der Universität Osnabrück befragten deutschen Krankenhäuser haben oder wollen mindestens einen Förderantrag stellen. Als Motiv wird vor allem Qualitätssteigerung genannt. Digitalisierung und Technik stehen erst an zweiter beziehungsweise dritter Stelle, gefolgt von dem Wunsch nach mehr Effizienz.
Die Krankenhäuser sind in der Zahl ihrer Projekte nicht beschränkt. Die Anträge verteilen sich auf die elf Fördertatbestände. Dabei zeichnen sich vier klare Schwerpunkte ab: 96 Prozent der Krankenhäuser wollen die digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation verbessern und 80 Prozent setzen auf Patientenportale für ein besseres digitales Aufnahme- und Entlassungs- beziehungsweise Überleitungsmanagement. Des Weiteren liegt der Fokus im digitalen Medikationsmanagement (73 Prozent) und der IT-Sicherheit (57 Prozent).
Deutschland hinkt bei Digitalisierung hinterher
Deutschland fällt bei der Digitalisierung im Bereich Medizin noch immer weit hinter andere europäische Länder zurück, dies zeigt eine aktuelle Deloitte Umfrage. Derzeit werden digitale Technologien im medizinischen Bereich vor allem für administrative und planerische Aufgaben eingesetzt. Allerdings gibt es zwischen den Ländern einige Unterschiede. In Deutschland ist die Verbreitung des elektronischen Rezeptes mit 13 Prozent im Gegensatz zu den Niederlanden (97 Prozent), Portugal (96 Prozent), Norwegen (86 Prozent), Dänemark (73 Prozent), Großbritannien (69 Prozent) und Italien (67 Prozent) am geringsten. Auch bei der Online-Terminbuchung liegt Deutschland mit 38 Prozent hinter den Niederlanden (67 Prozent), Portugal (66 Prozent), Großbritannien (62 Prozent), Dänemark (61 Prozent), Italien (53 Prozent) und Norwegen (41 Prozent).
Schlechter Support für Mitarbeiter
Im Allgemeinen fühlen sich die europäischen Kliniken angemessen oder gut bei der Nutzung digitaler Technologien von ihren Organisationen unterstützt. In Dänemark war das Gefühl unterstützt zu werden am größten (77 Prozent), dicht gefolgt von den Niederlanden (52 Prozent). Die Kliniken in Deutschland fühlen sich hingegen am wenigsten unterstützt (46 Prozent). Die Umfrageergebnisse zeigen zudem, dass fehlende Fortschritte bei der digitalen Transformation unter anderem auf die mangelnde Schulung der Mitarbeiter im Umgang mit digitalen Technologien zurückzuführen sind. So erhalten mehr als die Hälfte des britischen (64 Prozent), niederländischen (55 Prozent) und des norwegischen (54 Prozent) Klinikpersonals Online-Schulungshandbücher und -kurse, knapp die Hälfte in Dänemark (49 Prozent). Darüber hinaus profitieren 38 Prozent in Italien und 31 Prozent in Portugal von solch einem Angebot. Deutschland stellt mit 30 Prozent das Schlusslicht dar.
Bund macht klare Vorgaben für Umsetzung
Das KHZG stellt etliche Bedingungen an die Gewährung von Fördermitteln. So müssen die Digitalisierungsmaßnahmen anerkannte internationale Standards für eine durchgehende Interoperabilität erfüllen. Dabei spielen die von mehr als 35 Ländern entwickelten Health Level 7 (HL7)-Standards zum Datenaustausch eine wesentliche Rolle. Dazu gehören die FHIR (Fast Healthcare Interoperability Resources), die den Datenaustausch zwischen Softwaresystemen im Gesundheitswesen festlegen.
Ferner hat das für die Gewährung der Fördermittel zuständige Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) dafür gesorgt, dass die zur Umsetzung der Maßnahmen gewählten IT-Dienstleister vom BAS entsprechend geschult beziehungsweise zertifiziert werden. Die Wahl des richtigen IT-Partners ist jedoch nur einer von vielen Punkten, die Krankenhäuser beachten müssen.
So kann die Digitalisierung im Krankenhaus gelingen:
- Zukunftsfähige Digitalisierung benötigt eine umfassende, langfristige IT-Strategie, die auch nach Projektfertigstellung die Infrastruktur auf dem neuesten Stand hält.
- Für eine erfolgreiche digitale Transformation sind saubere Planung und rechtzeitiges Erwartungsmanagement unerlässlich. Alle Beteiligten müssen an einem Strang ziehen und ein gemeinsames Verständnis entwickeln für die komplexen Prozesse und die dazu benötigten fortschrittlichen Technologien. Das gilt auch für Führungskräfte, die mit unrealistischen Erwartungen an schnelle Ergebnisse Missverständnisse und größeren Schaden verursachen können.
- Zusätzlich muss die bestehende IT-Infrastruktur kritisch überprüft werden. Gibt es veraltete Legacy-Dienste und -Systeme? Sind alle notwendigen Technologien bereits vorhanden beziehungsweise einsetzbar? Neue Lösungen müssen sorgfältig in die vorhandene Infrastruktur integriert werden, um deren Kompatibilität und Interoperabilität zu garantieren.
- HL7 und FHIR sollten das standardisierte Herz aller Digitalisierungs- und damit auch der KHZG-Lösungen darstellen. So wird ein risikoloser Zugriff auf medizinische, finanzielle und administrative Daten gewährleistet.
- Generell gehen Digitalisierung und IT-Sicherheit Hand in Hand. Letztere muss daher in allen Phasen des Prozesses berücksichtigt werden.
Dabei gibt das Bundesamt für Soziale Sicherung offizielle Zertifizierungen an Software-Entwickler aus, die diese Kriterien erfüllen. Eine solche Zertifizierung belegt, dass Unternehmen in der Lage sind zu ermitteln, ob die im Rahmen des Gesetzes ergriffenen Digitalisierungsmaßnahmen angemessen sind, so dass das Team die Aufgaben gesetzeskonform erfüllen kann. Für den Bereich der Software-Entwicklung ergeben sich daraus die folgenden zu erfüllenden Kompetenzen, die bei der digitalen Transformation nach KHZG wirklich hilfreich sein können:
- FHIR-konforme Lösungen, die einen sicheren Zugang zu Ihren klinischen und finanziellen Daten ermöglichen;
- Lösungen mit künstlicher Intelligenz, Computer Vision und anderen auf maschinellem Lernen basierenden Systemen;
- Datenanalyse, einschließlich Visualisierung mit R-Sprache und Erstellung von Berichtssystemen.
- Die Verwendung von Oрen-Source-Lösungen sowie eigenen Produkten, die für eine erhebliche Kostensenkung der Projekte sorgt.
Werden alle Punkte beachtet und wird bei der Auswahl des IT-Partners auf dessen Qualifikationen Wert gelegt, können auch komplexe KHZG-Projekte gelingen. Neben der Zertifizierung sollte der IT-Partner Erfahrungen mit DevOps und im Projektmanagement mitbringen sowie bereits Projekte im Gesundheitswesen, zumindest aber in wissenszentrierten Branchen, realisiert haben. Er sollte zudem über ein genügend großes Experten-Team aus Software-Ingenieuren, Business Analysts und Data Scientists verfügen. Da Fachkräfte auf dem deutschen Markt derzeit kaum zu bekommen sind, ist es von Vorteil, wenn der IT-Partner international aufgestellt ist und auf entsprechendes Personal im Ausland zurückgreifen kann.
WaveAccess ist ein international aufgestelltes Softwareentwicklungsunternehmen. Der deutsche Firmensitz befindet sich in Karlsruhe.