Frühkindliche Hirnblutungen vorhersagen

Forscher entwickeln ein Modell zur Vorhersage frühkindlicher Hirnblutungen. (Foto: © Vladimir Nenov/123rf.com)

Um frühkindliche Hirnblutungen vorherzusagen zu können, entwickeln Forscher mathematische Modelle und eine Software für den Einsatz in der Klinik. Damit wollen sie die gefährlichen Hirnblutungen bei Frühgeborenen verhindern.

Viele zwischen der 22. und 34. Schwangerschaftswoche und damit zu früh geborene Babys erleiden eine Hirnblutung. Je nach Geburtsgewicht und Schwangerschaftsdauer liegt das Risiko dafür zwischen 30 und 55 Prozent. Das Risiko für Schädigungen ist groß: Rund 25 Prozent aller lebenslangen Körper- und Mehrfachbehinderungen gehen auf eine frühkindliche Hirnblutung zurück. Sie zu verhindern, haben sich Renée Lampe, Professorin für Orthopädie an der TU München, und ihr Team zum Ziel gesetzt. Gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Mathematische Modellierung an der TU München haben die Forscher ein mathematisches Modell und eine darauf basierende Software entwickelt. Sie soll helfen, Hirnblutungen Frühgeborener vorherzusagen und im Optimalfall zu verhindern.

Ziel ist ein einfach bedienbares System. In dieses System sollen Ärzte dann klinische Daten der kleinen Patienten eingeben. So soll ermittelt werden, welches Risiko für eine Hirnblutung besteht und wie es gesenkt werden könnte. Das Forschungsprojekt wird von der Klaus Tschira Stiftung (KTS) mit 700.000 Euro gefördert.

Risikofaktoren identifizieren

Frühkindliche Blutungen nehmen ihren Ursprung in der sogenannten „germinalen Matrix“, einer kleinen Zellschicht im Gehirn, die ab der 34. Lebenswoche verschwindet. Solange sie vorhanden ist, besteht das Risiko einer Hirnblutung. „Wir haben ein mathematisches Modell entwickelt, das den zerebralen Blutfluss simuliert, also die Versorgung des Gehirns mit Blut innerhalb eines bestimmten Zeitfensters. Die Blutversorgung bildet die Grundlage für die Sauerstoff- und Nährstoffversorgung der Nervenzellen des Gehirns. Wir simulieren den zerebralen Blutfluss im Gehirn im Allgemeinen und in der germinalen Matrix im Besonderen“, erklärt die Kinderorthopädin. 

Im klinischen Alltag gibt es bislang keine einfach anzuwendende Messmethode für den zerebralen Blutfluss in der medizinischen Versorgung von frühgeborenen Kindern. Das Modell der Forscher identifiziert Risikofaktoren, zum Beispiel Schwankungen des Blutdrucks. Sie haben Einfluss auf die kleinen Gefäße haben und führen im schlimmsten Fall dazu, dass sie reißen.

Vielversprechende Ergebnisse

Doch wie realistisch sind die Berechnungen des neuen Modells? Um das zu überprüfen, haben die Forscher 6000 Messungen von 265 Frühgeborenen mit und ohne Hirnblutung zusammengetragen und in das System eingespeist. „Das Modell zeigt eine gute Übereinstimmung mit den experimentellen Messungen aus der Literatur, die auf aufwändigen Untersuchungen fußen und nicht zur klinischen Routine gehören, zum Beispiel die Nah-Infrarotspektroskopie“, sagt Renée Lampe.

Test im Klinik-Alltag

In einem nächsten Schritt soll das Modell im Klinik-Alltag getestet und eine Blindstudie durchgeführt werden „Wir haben das komplexe mathematische Modell in eine benutzerfreundliche Software überführt und über Maschinelles Lernen ergänzt“, so Lampe. Kinderärzte könnten Daten wie Körpergewicht oder Blutdruck und andere Parameter in das System eingeben. Das berechnet dann den zerebralen Blutfluss im Gehirn und der germinalen Matrix und zeigt an, ob das Risiko einer Hirnblutung besteht und welche Risikofaktoren wie verändert werden können, um das Risiko zu senken.

„Das Forschungsprojekt ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie Mathematik und Medizin dabei helfen können, die medizinische Versorgung zu verbessern“, sagt Beate Spiegel, Geschäftsführerin der Klaus Tschira Stiftung. Insbesondere bei Frühgeborenen seien beide Disziplinen wichtige Helfer, da die meisten Untersuchungen eine erhebliche körperliche Belastung für sie bedeuteten.