Forscherin entwickelt elektronische Haut

Die Smartskin ist ein hauchdünnes Material, das mit extrem hoher räumlicher Auflösung simultan auf Krafteinwirkung, Feuchtigkeit und Temperatur reagiert und entsprechende elektronische Signale abgibt. (Foto: © Lunghammer - TU Graz)

Eine Physikerin der TU Graz hat gemeinsam mit ihrem Team ein multisensorisches Hybridmaterial entwickelt. Diese „elektronische Haut“ kommt menschlicher Haut sehr nahe: Sie nimmt Druck, Feuchtigkeit und Temperatur simultan wahr und produziert elektronische Signale. 

Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen. Sie „erfühlt“ mehrere Sinneseindrücke gleichzeitig und meldet Informationen zu Feuchtigkeit, Temperatur und Druck an das Gehirn. Anna Maria Coclite, ERC-Grant-Trägerin und Forscherin am Institut für Festkörperphysik der TU Graz, ist es nun mittels eines neuartigen Verfahrens gelungen, das Drei-in-Eins-Hybridmaterial „Smartskin“ für die nächste Generation von künstlicher, elektronischer Haut zu entwickeln. Das Ergebnis dieser Pionierforschung wurde nun im Fachjournal Advanced Materials Technologies veröffentlicht.

Rund sechs Jahre lang arbeitete das Team im Rahmen des Projektes „SmartCore“ an der Entwicklung von Smartskin. Mit 2.000 einzelnen Sensoren pro Quadratmillimeter ist das Hybridmaterial feinfühliger als menschliche Fingerspitzen. Jeder dieser Sensoren besteht aus einer einmaligen Materialkombination: einem intelligenten Polymer in Form eines Hydrogels im Inneren und aus einer Schale aus piezoelektrischem Zinkoxid. „Das Hydrogel kann Wasser absorbieren und dehnt sich dadurch bei Feuchtigkeits- und Temperaturänderungen aus. Dabei übt es einen Druck auf das piezoelektrische Zinkoxid aus, das auf diese und auf alle anderen mechanischen Belastungen mit einem elektrischen Signal reagiert“, sagt die Forscherin.

Das Ergebnis ist ein hauchdünnes Material, das mit sehr hoher räumlicher Auflösung simultan auf Krafteinwirkung, Feuchtigkeit und Temperatur reagiert und entsprechende elektronische Signale abgibt. Die ersten Materialsamples sind sechs Mikrometer dünn, also 0,006 Millimeter. „Es ginge aber sogar noch dünner“, ist Coclite überzeugt. Die Haut des Menschen nimmt Dinge ab einer Größe von etwa einem Quadratmillimeter wahr. Die Smartskin hat eine tausendmal kleinere Auflösung und kann Objekte registrieren, die für die menschliche Haut zu klein sind, etwa Mikroorganismen.

Neues Verfahren

Die einzelnen Sensorschichten sind sehr dünn und gleichzeitig flächendeckend mit Sensorelementen ausgestattet. Ermöglicht wird das durch ein einmaliges Verfahren, für das die Forschenden nach eigenen Angaben erstmals drei bekannte Methoden aus der physikalischen Chemie kombinierten: eine chemische Gasphasenabscheidung für das Hydrogelmaterial, eine Atomlagenabscheidung für das Zinkoxid und die Nanoprint-Lithographie für die Polymer-Schablone. 

Viele mögliche Anwendungsfelder

Dem hautähnlichen Hybridmaterial eröffnen sich nun mehrere Anwendungsfelder. So könnte das Sensormaterial beispielsweise im Gesundheitswesen selbstständig Mikroorganismen erkennen und entsprechend melden. Denkbar sind auch Prothesen, die ihrer Trägerin oder Ihrem Träger Auskunft über Temperatur oder Feuchtigkeit geben. Auch Roboter, die ihre Umwelt sensibler wahrnehmen können, sind möglich. 

Die Forschenden wollen die Eigenschaften der Smartskin nun weiter optimieren. Sie wollen den Temperaturbereich, auf den das Material reagiert, erweitern und die Flexibilität der künstlichen Haut verbessern.