DIHK fordert schnelle Digitalisierung im Gesundheitswesen

Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK. (Foto: © DIHK / Paul Aidan Perry)
Dr. Achim Dercks, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK. (Foto: © DIHK / Paul Aidan Perry)

Unzureichende Vernetzung, Hindernisse bei der Datennutzung und komplexe Entscheidungsstrukturen: Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht eine lange Mängel-Liste bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Er fordert mehr Tempo in diesem Bereich und hat ein Positionspapier mit Vorschlägen veröffentlicht, wie das gelingen kann.

„Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, die Impulse aus der Krise für eine stärkere Digitalisierung zu nutzen. In der Telemedizin hat die Praxis bereits bewiesen, dass es funktioniert“, sagt der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. „Gerade im Gesundheitsbereich werden alle davon profitieren: Digital-Health-Start-ups, Produzenten für Medizintechnik und Arzneimittel ebenso wie Fachkräfte, Krankenhäuser, Krankenkassen – und allen voran natürlich jeder einzelne Patient.“

Elektronische Patientenakte hätte in der Pandemie geholfen

Bereits vor der Corona-Pandemie sind laut DIHK-Analyse wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Sie konnten zur Bewältigung der Krise allerdings noch nicht voll genutzt werden. Dazu zählt beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA). Sie sollte in den Basisfunktionen bereits ab 2021 und mit weiteren Funktionen wie einem digitalen Impfnachweis ab 2022 zur Verfügung stehen, sodass Versicherte dabei auch über das Smartphone auf ihre Daten zugreifen können. 

Die DIHK-Experten sind davon überzeugt: „Wenn wir die elektronische Patientenakte mit vollen Funktionen bereits zu Beginn der Pandemie in der Versorgung etabliert hätten, wären einige Herausforderungen wahrscheinlich schneller bewältigt worden.“ So hat sich gezeigt, dass zum Beispiel Apps für Impf- oder Testzertifikate mit wachsendem Bekanntheits- und Sicherheitsgrad immer stärker genutzt worden sind. Mit dieser Erkenntnis lässt sich nach Ansicht des DIHK auch die Akzeptanz der elektronischen Patientenakte steigern. Dafür sei es wichtig, nicht nur Patienten, sondern auch Ärzte und Krankenkassen zu gewinnen.

Wichtige Themen dabei bleiben nach Einschätzung des DIHK Datenschutz und Freiwilligkeit. Mit besseren Verfahren in der Versorgung und in der Forschung der Unternehmen sollte man die Potenziale jedoch besser ausschöpfen können. „Die bereits im Koalitionsvertrag vereinbarte Änderung von Zustimmungs- zu Widerspruchsverfahren sollte jetzt Priorität bekommen. Vorbild kann hier Österreich sein, wo dies bereits praktiziert wird. Patienten bekommen dort automatisch ihre ePA zugeteilt“, so Achim Dercks.

Digitalisierung schafft Arbeitsplätze

Durch eine konsequente Nutzung der Digitalisierung können nach Einschätzung des DIHK Arbeitsplätze und Wertschöpfung durch Innovationen in Deutschland entstehen. Außerdem würde sich auch die Versorgung insgesamt verbessern. So könnte Künstliche Intelligenz (KI) dabei helfen, seltene Erkrankungen einfacher zu diagnostizieren.

Wenn Telemonitoring bei chronischen Krankheiten flächendeckend genutzt würde, könnten therapeutische Maßnahmen schneller eingeleitet werden. Das unterstützt die Fachkräftesicherung der Wirtschaft insgesamt, wenn die Beschäftigten gesünder und krankheitsbedingte Ausfallzeiten kürzer und seltener sind.

„Die konsequente Nutzung der Digitalisierung kann zu einem sinnvolleren Einsatz der knappen Fachkräfte beitragen und zugleich die Qualität der Versorgung steigern“, ist Dercks überzeugt. Dies wirke sich perspektivisch auch positiv auf die Ausgabenentwicklung im Gesundheitswesen aus – und das komme der gesamten Wirtschaft zugute. „Wegen der demografischen Entwicklung müssen Belegschaften insgesamt gesünder und damit verbundene Zusatzkosten für den Faktor Arbeit auch langfristig bezahlbar bleiben”, so Dercks.

Forschung stärken

Die Pandemie habe außerdem gezeigt, wie wichtig eine leistungsfähige Gesundheitsforschung zum Beispiel für eine zügige Entwicklung von Impfstoffen sein könne. Es gilt deshalb, Gesundheitsforschung weiter zu stärken und dabei auch die Möglichkeiten der Datennutzung zu verbessern. Daten seien nicht nur eine wesentliche Grundlage für viele digitale Geschäftsmodelle, sondern auch für viele Hersteller von Arzneimitteln oder Medizinprodukten. Regelmäßig müssten Unternehmen derzeit auf Gesundheitsforschungsdaten aus anderen Ländern zurückgreifen, zum Beispiel um KI-gestützte Produkte zu trainieren oder Bestandsprodukte zu verbessern.

Lohnender Blick ins Ausland

Der DIHK fordert deshalb, das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz zügig umzusetzen und dabei die private Forschung einzubeziehen sowie deren Bedarfe zu berücksichtigen. „Der neue Rechtsrahmen sollte die Abgabe und Nutzung von Gesundheitsdaten über die gesamte Versorgungskette eindeutig und auch möglichst bundesweit einheitlich regeln – unter Berücksichtigung des geplanten europäischen Gesundheitsdatenraumes. Nur so lässt sich ein grenzüberschreitender Datenzugang sicherstellen und das volle Potenzial ausschöpfen“, betont Dercks. Er empfiehlt zur Orientierung einen Blick ins Ausland: In Frankreich etwa werde aktuell ein Health-Data-Hub aufgebaut, über den auch die industrielle Forschung auf Antrag einen Zugang zu Forschungsdaten erhalten könne. 

Positionspapier online verfügbar

Das DIHK-Positionspapier zur Digitalisierung im Gesundheitswesen steht online zum Download zur Verfügung.