Ein Wust an Vorschriften rund um die Digitalisierung und mangelnde Technik verärgern viele Ärzte. Sie fühlen sich im Stich gelassen.
„Die Praxen stehen der Digitalisierung nicht erst seit der Corona-Krise offen gegenüber – nur nicht zu den jetzigen Bedingungen. Ärger löst eben nicht die Digitalisierung an sich aus, sondern die Art und Weise, wie sie vorangetrieben wird“, betont Dr. Thomas Kriedel, Vorstandsmitglied der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Am meisten Frustration herrsche in Arztpraxen über die Masse an Vorgaben, über das Fehlen erforderlicher Technik und über die Kosten, die trotz Finanzierungszusagen an den Ärzten hängenblieben.
Als eines von vielen Beispielen für mangelnde Technik benennt Kriedel die Software für die neue Heilmittel-Richtlinie. „Jahrelang haben wir mit Erfolg auf Erleichterung für die Praxen hingearbeitet. Kurz vorm Ziel zeigt sich nun, dass nicht alle Softwarehäuser in der Lage sind, fristgerecht ihre Praxisverwaltungssysteme umzustellen.“ Auch die Entwicklung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sieht der KBV-Vorstand kritisch. Hier würden ebenfalls nicht alle Praxen rechtzeitig über die erforderlichen Komponenten der Telematik-Infrastruktur verfügen können.
„Der Gesetzgeber hat eingespielte Prozesse verlassen“
Mit Sorge beobachtet Kriedel die Entwicklung, dass das Prinzip der Selbstverwaltung unterlaufen wird. So ist bei Apps auf Rezept nicht der Gemeinsame Bundesausschuss zuständig, sondern das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte – eine Behörde. „Der Gesetzgeber hat also eingespielte Prozesse verlassen. Wir versuchen nun von außen positiven Einfluss zu nehmen, ganz im Sinne der Praxen“, so Kriedel. Es stelle sich die Frage, ob das Prinzip von WANZ (wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig) gelte und ob der Arzt eine App verschreiben müsse, wenn der Patient es wünscht.
Mit den Medizinischen Informationsobjekten MIOs habe die KBV bereits gezeigt, dass sie als zuverlässiger und kompetenter Partner bereitstehe. Der bald verfügbare KIM-Dienst KV.doxs soll Praxen zudem sichere und zuverlässige Kommunikation garantieren. „Wer die Digitalisierung ernsthaft und nachhaltig voranbringen möchte, der muss die Praxen und ihre Belange Kriedel zufolge ernst nehmen. Die Digitalisierung dürfe keine zusätzlichen Kosten, unnötigen Pflichten oder ausufernde Bürokratie für die Niedergelassenen bedeuten.