
Gut gemeint, aber derzeit nicht sinnvoll nutzbar. So lautet das Fazit einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) unter leitenden Chirurgen zum Bundes-Klinikatlas. Die Befragung zeigt deutliche Unzufriedenheit mit der Qualität des Online-Tools.
Grundsätzlich bewerten die befragten Mediziner einen unabhängigen Klinikatlas positiv. An der aktuellen Version lassen sie jedoch kaum ein gutes Haar. „Wir raten dazu, die aktuelle Fassung des Klinikatlas als Beta-Version zu bezeichnen und die Daten in enger Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften nachzubessern“, meint DGCH-Generalsekretär Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen. „Neben der Korrektur fehlerhafter Daten muss eine laienverständliche Sprache das Ziel der Fortentwicklung sein, wenn das Verzeichnis wirklich eine Hilfe für Patientinnen und Patienten darstellen soll“, ergänzt der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V (BDC) Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer.
Der Mitte Mai 2024 online gestartete Klinikatlas ist ein Kernelement des Krankenhaustransparenzgesetzes. Das Online-Portal soll es Patienten sowie Zuweisern ermöglichen, durch nachvollziehbare Informationen eine Entscheidung zur Auswahl eines geeigneten Krankenhauses treffen zu können. Wie das Bundesgesundheitsministerium zum Start des Klinikatlas erklärte, sollen weitere Daten „nach und nach hinzugefügt“ werden.
Eine Woche nach dem Go-Live starteten die DGCH und ihre assoziierten Fachgesellschaften am 24. Mai 2024 per Mail eine Umfrage unter leitenden Ärzten chirurgischer Kliniken zum neuen Portal. Rund 360 Befragte machten mit.
Grundidee für gut befunden
Ein Anteil von 36 Prozent beurteilte die Einrichtung des Atlas mit „gut, wenn die publizierten Ziele umgesetzt“ würden; zu einem grundsätzlich positiven Votum kamen insgesamt 58 Prozent. Demgegenüber fanden 43 Prozent den Klinik-Atlas in der vorliegenden Form „schlecht“, „nicht praktikabel“ oder „überflüssig“. Deutliche Kritik wurde am Umgang mit den Daten geübt: 84 Prozent finden das Leistungsportfolio ihrer Klinik oder Abteilung „sehr schlecht“ oder „schlecht“ abgebildet, 73 Prozent gaben an, die zurzeit im Atlas angegebenen quantitativen Daten stimmten „sehr schlecht“ oder „schlecht“ mit den Qualitätsberichten ihrer Kliniken überein. 83 Prozent halten die Differenzierung zwischen diagnostischen und therapeutischen Leistungen für „sehr schlecht“ oder „schlecht“.
Eine überwiegende Mehrheit von 90 Prozent bezweifelt, dass der Klinikatlas in der Lage ist, die angestrebte Patientensteuerung bei komplexen Leistungen zu liefern. Dieses Votum spiegelt sich auch in den Freitext-Kommentaren wider: „Zahlen stimmen nicht“, „Zertifikate fehlen“, „Fachabteilungen sind nicht erwähnt“, „keine Qualitätsdaten abrufbar“, „unvollständig“, „irreführend für Patientinnen und Patienten“.
Klinikatlas aus dem Netz nehmen?
Insgesamt liegt die Zufriedenheit mit dem Atlas laut Umfrage auf einer Skala von bis zu optimal fünf Sternen bei 1,41. „Es gibt also ein hohes Maß an Unzufriedenheit“, bilanziert Dr. med. Peter Kalbe, Vizepräsident des BDC. „In der Konsequenz plädiert eine Mehrheit von 63 Prozent für eine sofortige Rücknahme aus dem Netz, verbunden mit einer Korrektur und Wiedereinstellung nach Beta-Testung durch Fachgesellschaften und Patientenvertreter“, ergänzt Meyer.
Konkret sollte nach Auffassung von DGCH und BDC eine sinnvolle Zusammenführung von Diagnosen und Therapie gefunden werden, von ICD-10- und OPS-Codes. Auch sei nicht zielführend, die Anzahl der Behandlungsfälle extra aufzuführen. „Es genügt, wenn diese Zahl als Qualitätsparameter in die Tachometerdarstellung einfließt“, meint Schmitz-Rixen. Auf die Angabe des Gesamtpflegepersonals eines Krankenhauses sollte ebenfalls verzichtet werden. „Eine solche Zahl ist nicht aussagekräftig, sie müsste sich auf einzelne Abteilungen beziehen, was die bisherige Datenerfassung nicht hergibt“, erläutert der DGCH-Generalsekretär.
Für Suchende nicht sinnvoll
Die DGCH empfiehlt eine intensive Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften, um bei dem Portal nachzubessern. „Bisher ist alles gut gemeint, aber aufgrund noch fehlender Informationen für Suchende nicht sinnvoll benutzbar“, bilanziert Schmitz-Rixen. „Die Motivation der Kolleginnen und Kollegen, das Verzeichnis auf solide Füße zu stellen, ist jedenfalls hoch. Schließlich beurteilt die Mehrheit der Befragten die Einrichtung eines neutralen Klinik-Atlas als positiv.“