Big Data in der Altersmedizin

Vor einem zu unkritischen Umgang mit dem Thema Big Data in der Medizin warnt jetzt Professor Gerd Antes, Co-Direktor von Cochrane Deutschland und wissenschaftlicher Vorstand der Cochrane Deutschland Stiftung in Freiburg. Viele Akteure im Gesundheitswesen versprechen sich seiner Ansicht nach, dass mehr Daten auch zu mehr Wissen und damit zu besseren Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten führen. Zwar gebe es Beispiel hervorragende Apps oder Erinnerungssysteme, die insbesondere in der Altersmedizin die Versorgung erleichterten. „Ich bin allerdings der festen Überzeugung und kann auch belegen, dass das Thema Big Data, insbesondere im Gesundheitswesen, viel zu unkritisch gesehen wird“, so Prof. Antes. Er kritisiert, dass das wissenschaftliche Denken außer Kraft gesetzt wird. Dank unbegrenzter Datenmengen werde Korrelation auf einmal zu Kausalität. Nach dem Motto: Je mehr Daten, desto genauere Aussagen lassen sich daraus ableiten.

„Dieser versprochene Nutzen lässt sich bisher aber nicht feststellen und die Risiken und Kosten werden nicht dazu in Bezug gesetzt. Die Vermutung, dass mehr Daten automatisch auch zu mehr Wissen führen, ist schlichtweg falsch“, ist der Experte überzeugt. Mehr Daten könnten im Gegenteil auch mehr Fehler bedeuten, was ein großes Risiko in der Patientenversorgung darstelle. Antes plädiert für eine wissenschaftlich fundierte rationale Betrachtung von Big Data, wie es in jeder Technikfolgenabschätzung üblich ist: „Es braucht nicht weniger, sondern mehr Methoden als sonst.“

Hohe Fehlergefahr in der Altersmedizin

Für die Altersmedizin ist das Thema nach Ansicht von Prof. Antes besonders relevant, weil es wegen der längeren Lebenszeit und der Multimorbidität noch mehr Daten zu den Patientinnen und Patienten gibt. Wer bei diesen hochdimensionalen Daten einzelne Mechanismen herausfischen wolle, laufe noch mehr Gefahr, etwas richtig falsch zu machen. „Besonders in der Geriatrie sollte man also nicht einfach die Datenkrake loslaufen lassen“, so der Experte. Qualitätssicherung muss deshalb bei Big Data eine hohe Priorität haben. Zudem gilt es auch hier die Nebenwirkungen zu betrachten. „Insgesamt wäre es wünschenswert, wenn international das Thema Big Data und der Umgang damit kritischer gesehen wird und wissenschaftlich fundierte Datenqualität in Zukunft den nötigen Stellenwert bekommt“, so Prof. Antes. Dabei sollte man sich seiner Ansicht nach nicht nur von Versprechungen leiten lassen, sondern unbedingt den Nutzen und das Risiko betrachten und abwägen.

Auf dem gemeinsamen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) n hält Professor Gerd Antes  die Keynote „Big Data – Datenrauschen auch in der Geriatrie?“.  Der Kongress findet unter dem Motto „Vielfalt des Alterns: biomedizinische und psychosoziale Herausforderungen“ vom 6. bis 8. September 2018 in Köln statt.