Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Professor Dr. med. Hans Drexler, wehrt sich gegen eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern.Germanwings-Maschine (Foto: Eurowings GmbH)
Der kürzlich von der französischen Untersuchungsbehörde BEA veröffentlichte Abschlussbericht zum mutwillig durch den psychisch erkrankten Copiloten herbeigeführten Germanwings-Flugzeugabsturz im März 2015 hat nach Ansicht des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM), Professor Dr.med. Hans Drexler eine schädliche und wenig qualifizierte öffentliche Diskussion über die ärztliche Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern ausgelöst.
Für Drexler ist die erste und wichtigste Frage, ob durch eine gelockerte ärztliche Schweigepflicht dieser Absturz hätte verhindert werden können. Nach Ansicht der meisten Fachleute sei dies nicht der Fall. Wenn man alle Menschen mit depressiven Episoden oder Suizidgedanken als nicht geeignet für Berufe mit potentieller Drittgefährdung betrachten wollte – und das seien bei weitem nicht nur Flugzeugpiloten – dann wäre eine moderne Gesellschaft nicht mehr arbeits- und handlungsfähig. Darüber hinaus seien Aussagen zur Prognose immer unsicher. Ein unauffälliger Untersuchungsbefund heute garantiert nach Einschätzung von Hans Drexler längst keine körperliche oder seelische Gesundheit zu einem späteren Zeitpunkt.
Die zweite Frage geht für den DGAUM-Präsidenten in Richtung der Folgen einer gelockerten ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern. Wenn sich ein Mensch mit gesundheitlichen Problemen nicht mehr auf die absolute Verschwiegenheit des Arbeitsmediziners gegenüber Dritten verlassen könne, werde dieser seinem Arzt wohl kaum noch Informationen anvertrauen, die seine berufliche Beschäftigung gefährden könnten. Es sei eine Illusion zu glauben, ein Arzt könne ohne Mitwirkung des betroffenen Menschen sicher und verlässlich körperliche oder seelische Erkrankungen erkennen.
Änderung wendet keine Gefahren ab
„Wenn durch eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Klient gestört wird, ergibt sich mit Gewissheit eine geringere Sicherheit für die Unversehrtheit von Dritten“, so DGAUM-Präsident Hans Drexler. Der Arzt könnte nämlich die Indikation für Hilfsangebote, Therapien, kürzere Beratungs- und Untersuchungsfristen, Änderungen der Arbeitsverhältnisse und vieles anderes, die Schaden und Gefahr abwenden können, nicht mehr erkennen. Deshalb warnt der Präsident der DGAUM mit Nachdruck davor, das hohe Rechtsgut des Vertrauensverhältnisses von Arzt und Klient durch eine wenig differenzierte Diskussion um eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Arbeitgebern zu gefährden.