Apps auf Rezept sind nach Ansicht der AOK zwar grundsätzlich eine sinnvolle Sache. Deutliche Kritik übt die Krankenkasse jedoch an den Regelungen zu Datenschutz und Nutzennachweis.
Der AOK-Bundesverband hat seine Position in einer Stellungnahme zum Referentenentwurf für die „Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung“ (DiGAV) zusammenfasst. „Wir begrüßen die Möglichkeit, dass die gesetzlichen Krankenkassen künftig digitale Gesundheitsanwendungen mit niedrigem Risiko erstatten können“, sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes. Erheblichen Änderungsbedarf sieht die AOK hingegen bei einzelnen Regelungen der Verordnung. In der Kritik steht in diesem Zusammenhang insbesondere der Nutzen der digitalen Anwendungen. Nachbesserungsbedarf gibt es zudem bei der Patientensicherheit und der Sicherheit der in den Anwendungen gespeicherten Gesundheitsdaten, die vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) überprüft werden soll.
Zahnloser Tiger
„Die Verordnung legt zwar Anforderungen zum Datenschutz fest, aber es ist nicht vorgesehen, dass das BfArM die Einhaltung dieser Vorgaben auch überprüft“, kritisiert Litsch. Als Entscheidungsgrundlage sollen dem Bundesinstitut alleine die Eigenangaben der Hersteller dienen. Zudem seien bei Verstößen gegen die Datenschutz-Anforderungen keine Sanktionen vorgesehen. „Zuletzt haben Gesundheits-Apps immer wieder durch Datenschutzmängel Schlagzeilen gemacht. Deshalb kann es nicht angehen, dass das BfArM bei diesem Thema als zahnloser Tiger agiert“, so Litsch.
Der Bundesverband fordert, dass das Institut eine Prüfverantwortung für die Einhaltung der Datenschutz-Regelungen erhält. „Dann könnte es unabhängig überprüfen, dass wirklich keine Daten an Dritte abfließen“, so Litsch. Außerdem soll die Verordnung nach Ansicht der AOK durch Regelungen ergänzt werden, nach denen alle Möglichkeiten der Daten-Minimierung ausgeschöpft wird. „Es besteht ja in der Regel keine Notwendigkeit, dem Anbieter die Identität des Nutzers offenzulegen. Die Übermittlung von Personendaten an die Hersteller und Plattform-Betreiber sollte nach Möglichkeit vermieden werden“, fordert der Vorstandsvorsitzende.
In-App-Käufe ausschließen
Richtig findet der Bundesverband die Klarstellung in der Verordnung, dass Apps auf Rezept frei von Werbung sein müssen. „Allerdings ist es nicht verboten, dass in den Anwendungen In-App-Käufe angeboten werden“, kritisiert der Verbandschef. Als Beispiel führt er Apps für Patienten mit Diabetes mellitus an, in denen Blutzucker-Teststreifen aus dem Mutterkonzern des App-Herstellers verkauft werden. Dazu vertritt Litsch eine klare Position: „Die Querfinanzierung einer App durch solche Vertriebswege sollte ausgeschlossen sein, wenn die gesetzlichen Kassen die Kosten für die Nutzung durch die Patienten übernehmen.“
Medizinischer Nutzen entscheidend
Dass die Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen verpflichtet werden sollen die positiven Versorgungseffekte ihrer Anwendung nachzuweisen, findet der Bundesverband positiv. „Für die Patienten ist es aber entscheidend, dass medizinische Anwendungen, die von den Kassen erstattet werden, einen echten medizinischen Nutzen bieten“, so Litsch. Wenn es nur um ein bisschen mehr Komfort bei möglicherweise schlechterem medizinischem Nutzen gehe, solle das nicht die Solidargemeinschaft bezahlen.
Beim Nutzennachweis sieht die AOK dringenden Nachbesserungsbedarf: So könnten auch Studien mit sehr niedriger Qualität mit ungeeigneten Vergleichsgruppen herangezogen werden, um den Nutzen zu belegen. Hier sollten nach Ansicht der AOK die Anforderungen an die Studien abhängig vom Risiko einer digitalen Gesundheitsanwendung präzisiert werden. Außerdem können Hersteller den Nutzen ihre Anwendung laut Verordnung auch durch „patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der Versorgung“ begründen. Dazu zählt beispielsweise eine leichtere Erreichbarkeit des Zugangs zur Versorgung oder die Reduzierung der therapierelevanten Aufwände. Viele dieser Verfahrens- und Strukturverbesserungen erfüllen digitale Anwendungen bereits per se.
Außerdem sind von diesem Kriterium vor allem Apps betroffen, die medizinische Leistungen ersetzen sollen. „Hier wird mit zweierlei Maß gemessen, weil diese Apps nicht nachweisen müssen, dass ihr medizinischer Nutzen mindestens gleich hoch ist wie bei der medizinischen Maßnahme, die sie ersetzen“, kritisiert Litsch. Als Beispiel nennt er Frühwarn-Apps bei Hautkrebs. Eine Studie habe gerade erst gezeigt, dass diese Apps der ärztlichen Diagnose unterlegen seien und sogar schweren Schaden verursachen könnten, weil vier von dreißig Melanomen bei der Anwendung nicht erkannt würden. „Dann besteht das Risiko, dass der Nutzer nicht zum Arzt geht und das Melanom Metastasen bildet“, so Litsch.