Straßenlampen passen ihre Helligkeit an, Bänke verändern ihre Sitzhöhe und -neigung, Hinweisschilder informieren die Passanten bedarfsgerecht – smarte städtebauliche Objekte bieten viel Komfort. Vor allem älteren Menschen kann die Vernetzung von Mensch und Technik dabei helfen, sich sicher in der Stadt zu bewegen und damit lange mobil und aktiv zu bleiben.
Welche Möglichkeiten die smarte Technik für Senioren in der Praxis bieten, erprobt zurzeit ein Forscherteam unter Federführung der Universität Hohenheim in Stuttgart. Das Verbundprojekt UrbanLife+ wird mit 4,8 Millionen Euro gefördert, wovon über 1,5 Millionen Euro aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) auf die Universität Hohenheim entfallen.
Beispiele für den Bedarf smarter Lösungen für Senioren aus der Praxis gibt es viele: Mal eben den nächsten Bus schnappen oder im Dunkeln zu Fuß unterwegs sein – Was für die meisten jüngeren Menschen kein Thema ist, kann für Ältere zum echten Problem werden. Altersbedingte Einschränkungen physischer und psychischer Art können Senioren zum Rückzug in die eigenen vier Wände zwingen. Abhilfe versprechen smarte städtebauliche Objekte. „Objekte im öffentlichen Raum, also zum Beispiel Bänke, Straßenlampen oder Hinweisschilder, werden smart, indem wir sie mit IT ausstatten“, sagt Projektleiter Prof. Dr. Stefan Kirn vom Fachgebiet Wirtschaftsinformatik 2 an der Universität Hohenheim das Grundprinzip. „Die Objekte sind miteinander vernetzt, die Menschen interagieren mit ihnen – und erhalten so technische Unterstützung bei ihrem Weg durch die Stadt.“ Die Möglichkeiten dazu loten die Forscher zurzeit in dem Projekt UrbanLife+ aus, in dem sich Wirtschaftsinformatik, Informatik, Gesundheits- und Pflegewissenschaften und Stadtplanung zusammengeschlossen haben. Alle Praxiserprobungen finden in Mönchengladbach statt und werden von der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach, einem kommunalen Dienstleister in der Altenhilfe, koordiniert. Neben dem Beratungsunternehmen Drees & Sommer, der Universität Leipzig und der Universität der Bundeswehr München sind mehrere Umsetzungspartner aus Mönchengladbach beteiligt.
Bedürfnisse von Älteren verstehen
Um die Mobilitätsbedürfnisse der Senioren besser zu verstehen, hat die Sozial-Holding kürzlich eine Befragung in zwei ausgewählten Stadtteilen durchgeführt. „Wir fragen unter anderem nach Einstellungen zu IT und deren Nutzung“, berichtet Projektkoordinator Dr. Jörg Leukel von der Universität Hohenheim. „So wollen wir mehr über die Menschen erfahren, um die Technologieentwicklung auf ihre Bedürfnisse auszurichten.“
Eine solche Technologie könnte zum Beispiel eine Wegbeleuchtung sein, die sich dem Sehvermögen der Passanten anpasst. „Die Wege werden dort, wo jemand geht, heller beleuchtet. Ausgelöst etwa durch ein Armband mit einem Chip“, erläutert Dr. Leukel. Die Technik soll auf dem Gelände eines Altenheims getestet werden, das derzeit im Bau und im August 2017 bezugsfertig ist.
Auch die schnellere Ermüdung von Älteren kann für sie schnell zum Problem werden. „Ältere Menschen müssen öfter Pause machen. Nach einer Faustregel sollte im Umkreis von 800 Metern immer eine Sitzgelegenheit erreichbar sein“, sagt Doktorand Marvin Hubl. Eine solche Bank muss eine höhere Sitzfläche haben und das Hinsetzen beziehungsweise Aufstehen unterstützen. Die Lösung könnte eine adaptive Bank darstellen, die sich auf ein elektronisches Signal hin automatisch anpasst.
Smarte Bushaltestellen
Auch Busfahren kann für Senioren schnell zum Hindernis werden, denn nicht jeder Bus ist auf die von ihnen genutzten Hilfsmittel eingestellt. „Ein Lösungsansatz ist, Busfahrer vorab darüber zu informieren, ob und wie viele Senioren zum Beispiel mit Rollstuhl oder Rollator an der nächsten Bushaltestelle warten“, so Dr. Leukel. Dann könne ich der Fahrer sich darauf einstellen und das länger dauernde Einsteigen ermöglichen. Für die praktische Umsetzung dieser Ideen plant das Projektteam Felduntersuchungen, danach werden die verschiedenen Möglichkeiten von Probanden getestet. Ein Mobilitätstraining mit Senioren hat das Projektteam bereits durchgeführt, um die Schwierigkeiten und Bedürfnisse zu analysieren.
Safety-Atlas für die Stadtplanung
Besonders wichtig ist es, dass die Ideen der Forscher die Bedürfnisse der Betroffenen treffen. „Das ermitteln wir über Befragungen und Beobachtungen“, erklärt Doktorandin Barbara Schehl. Und die Forscher betrachten ganze Szenarien – etwa den Weg vom Altenheim über die Bushaltestelle bis zum Arzt: „Was gibt es auf diesem Weg für individuelle Bedürfnisse und Barrieren? Gibt es genügend Sitzbänke, sind die Haltestellen gut ausgestattet? “
Ziel dieser Betrachtungen ist ein sogenannter Safety-Atlas, den der Projektpartner Drees & Sommer federführend entwickelt. „Dieser Atlas enthält nicht nur smarte, sondern alle relevanten, städtebaulichen Objekte. Bänke und Haltestellen, aber auch zum Beispiel Bordsteine, Fahrradwege, den Wegbelag und die Neigung der Wege“, zeigt Schehl auf.
„Die Frage ist zum Beispiel, in welchem Umkreis man sich mit Gehstock oder Rollator, Rollstuhl oder E-Scooter jeweils bewegen kann.“ Die Informationen seien ein wertvolles Instrument für die Stadtplanung, ist Hubl überzeugt. „Sie helfen bei künftigen Planungen und zeigen auf, wo gezielt nachgebessert werden muss, damit ältere Menschen auch künftig am öffentlichen Leben teilhaben können.“